DEUTSCHLAND PRIVAT - IM LAND DER BUNTEN TRÄUME

Muttis Perversionen

Robert van Ackerens Privat-Pornos sind wieder da

Vor mehr als 25 Jahren blickte Robert van Ackeren erstmals in die Wohnstuben deutscher Hobbyfilmer. In Zeitungsannoncen hatte er um die Einsendung und Freigabe privater Super-8-Aufnahmen gebeten.. Heraus kam ein vielschichtiger, intimer und kommerziell sehr erfolgreicher Einblick ins deutsche Innenleben. Ein Vierteljahrhundert später hat van Ackeren das voyeuristische Experiment wiederholt. Laut Eigenaussage ist seine unkommentierte Kurzfilmsammlung ein schillerndes Album deutscher Super-8-Privatpornos aus fünf Jahrzehnten. Tatsächlich ist die Bezeichnung "Privatpornos" plakativ, aber irreführend. In der ersten Filmstunde sind vornehmlich jugendfreie Skurrilitäten zu sehen. Sie erzählen etwa von jenem Mann, der noch zu Hause bei Mutti wohnt und dort Geld anspart, um sich in Fernost eine Braut zu kaufen. Oder von jener Ostberliner Clique, die jedes Jahr auf dem Fahrrad die Berliner Mauer umrundete.
Zeitlich bewegen sich das zwischen den 60ern und 80ern, der Blütezeit des Schmalfilms. Somit ist die Dokumentation auch ein leiser Abgesang auf die im Digitalzeitalter anachronistische Super-8-Videotechnik.
Ob der Film als lieblos zusammengeklatschtes Potpourri oder als aberwitziger Bilderreigen wahrgenommen wird, liegt im Auge des jeden Betrachters. Und immerhin: In den letzten 20 Minuten hält van Ackeren auch, was er in der Ankündigung verspricht. Dann schiebt er den Alltag seiner Hobbyfilmer beiseite und wirft einen verstohlenen Blick in deren Schlafzimmer. Wir sehen biedere Hausfrauen beim Seitensprung, Soldaten beim käuflichen Liebesspiel oder bizarre Erotikmöbel. Seiner persönlichen Vorliebe für Lust und Liebe, die er schon in Die Venusfalle oder Die flambierte Frau unter Beweis stellte, wird van Ackeren dabei mehr als gerecht.
Im Zeitalter des Internet-Voyeurismus, wo jeder seine privaten Perversionen stolz ins Netz digitalisiert, wirkt das alles eher rührend: Opa Ackermann macht nochmal den Giftschrank auf und zeigt Muttis Netzstrümpfe. Big Deal.

Oliver Zimmermann

D 2004 R: Robert van Ackeren K & D: diverse Hobbyfilmer. 84 Min