Der Tag wird kommen Alte Rebellen Eine belgische Konsumverweigerer-Komödie Zuerst sieht man nur seinen Namen, der auf die Stirn tätowiert ist und von einem schwankenden Körper durch die Fußgängerzone irgendeiner Kleinstadt getragen wird. "Not" ist dort in großen, schwarzen Lettern zu lesen, denn der, der sich so nennt, versteht sich als die personifizierte, totale Verneinung. Als ältester Punk Europas bezeichnet sich Not (Benoît Poelvoorde), der schon gut auf die Vierzig zugeht und immer noch seinen Irokesenschnitt trägt, der jeden Tag mit Bier und Spucke nach oben toupiert wird. Seine Identität als Punk kommt aus einer Zeit, als dies noch eine ernstzunehmende Jugendbewegung war und nicht einer von vielen Modeartikeln aus dem Image-Regal. Wie ein kettenrasselnder Anachronismus latscht er durch die betonierte Stadtrandsiedlung mit ihren geklonten Reihenhäusern, riesigen Supermärkten, Fast-Food-Ketten und Outlet-Stores. Mitten in der Konsumwüste betreiben die Eltern ein Kartoffel-Franchise-Restaurant und haben sich der Apathie ihrer genormten Existenz ergeben. Während Not den Vater mit revolutionären Parolen zutextet, erörtert sein Bruder Jean-Pierre (Albert Dupontel) die neuesten Testberichte für Flachbildschirme. Der Matratzenverkäufer läuft ganz fleißig im Hamsterrad des Kapitalismus, bis ihm zuerst seine Frau und dann auch der Chef kündigt. In seiner Verzweiflung rastet Jean-Pierre vollkommen aus, übergießt sich im Supermarkt - von der Käuferschar vollkommen ignoriert - mit Benzin, bis die Sprinkleranlage der versuchten Selbstverbrennung ein ruhmloses Ende bereitet. Immerhin erkennt Not in seinem abgedrehten Bruder ein neues rebellisches Potenzial. Erst einmal wird dem abtrünnigen Spießer ein zünftiger Irokesenschnitt verpasst und dann räumen die Gebrüder in der öden Vorstadt gründlich auf. In Der Tag wird kommen zeigen die belgischen Filmemacher Gustave de Kervern und Benoît Delépine der Konsumgesellschaft 92 Kinominuten lang den Stinkefinger. Die beiden vor sich hin randalierenden Punk-Gebrüder bilden dabei einen illustren Kontrast zu der leblosen Shopping-Mall-Kulisse, durch die sich die Menschen mit letzter Kaufkraft wie willenlose Zombies bewegen. Mit dem Zusammenprall der Totalverweigerungskultur des Punk und der vor sich hin kriselnden Warengesellschaft findet Der Tag wird kommen einen durchaus interessanten Ansatz, der sich jedoch schon bald im Plakativen und ermüdender Redundanz verliert. Die rebellische Attitüde fällt hier deutlich größer aus, als das, was der Film tatsächlich zu sagen hat. Aber das Missverhältnis zwischen Pose und Inhalt gehörte schon immer zum Punk wie die Sicherheitsnadel im Ohr. Martin Schwickert Le grand soir B/F 2012 R: Gustave Kervern, Benoît Delépine K: Huges Poulain D: Benoît Poelvoorde, Albert Dupontel, Brigitte Fontaine
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