DER ROTE PUNKT Welten entfernt Ein Kultur-Clash der anderen Art Der Karton steht schon viele Jahre neben den Einmachgläsern im Schrank. Wenn sie groß sei, so haben Onkel und Tante beteuert, dürfe Aki (Yuki Inomata) einen Blick hinein werfen. Nun sitzt die japanische Studentin in ihrem alten Kinderzimmer und öffnet das Paket aus Deutschland. Darin befinden sich ein Beileidsschreiben in verschlungenem Behörden-Deutsch, ein Nachthemd, das einmal ihrer Mutter gehört hat, eine Landkarte vom Allgäu, auf dem mit einem roten Punkt die Unfallstelle markiert ist, und ein Fotoapparat mit einem Film drin, auf dem die letzten gemeinsamen Augenblicke mit der Familie festgehalten sind. Als Aki die Abzüge beim Fotografen abholt, steht ihr Entschluss fest. Sie will nach Deutschland reisen. In das Land, in dem die Eltern und ihre kleine Schwester vor achtzehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Als die Japanerin im Ostallgäu ankommt, trifft sie auf der Polizeistation Elias (Orlando Weber) und dessen Vater Hans (Johannes Weber), die sie an der markierten Stelle absetzen. Eine gewundene Straße mitten im Wald, davor ein Feld, aber von dem Gedenkstein, der an den Tod der japanischen Familie erinnern soll, keine Spur. Aki kann sich bei der Familie von Elias einquartieren. Der Vater ist verstockt, die Mutter sieht der Zeit, wenn die Kinder aus dem Haus sind, mit Schrecken entgegen, und Elias formuliert seine jugendliche Rebellion durch Geschwindigkeitsüberschreitungen mit dem Motorrad. Die in München lebende japanische Filmemacherin Marie Miyayama erzählt in ihrem Spielfilmdebüt vom Zusammenprall westlicher und fernöstlicher Welten und wählt die Tragödie als Ausgangspunkt. Während Akis Suche nach den familiären Wurzeln, die wiederkehrenden Traumsequenzen und ihre nachgeholte Trauerarbeit kitschfrei in einem dezent kontemplativen Stil erzählt werden, wirkt die Schilderung der konfliktbeladenen deutschen Familienverhältnisse allzu brachial. Das gilt vor allem für den Vater-Sohn-Konflikt, der mit allen beschränkten Mitteln der deutschen Fernsehkunst überdramatisiert wird, jedoch keinerlei psychologischen Tiefgang erreicht. Martin Schwickert R: Marie Miyayama B: Marie Miyayama, Christoph Tomkewitsch K: Oliver Sachs D: Yuki Inomata, Hans Kremer, Orlando Klaus
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