DER MANN, DER NIEMALS LEBTE Laut und lästig Ridley Scott hat einen ziemlich heillosen Thriller gedreht Das Durcheinander der weltpolitischen Verhältnisse bringt zwangsläufig auch unübersichtliche Politthriller hervor. Dafür ist Ridley Scotts Der Mann, der niemals lebte das beste Bespiel. Ruhelos springt der Film zwischen Washington, Bagdad, Amman, London und Amsterdam hin und her, auf der Suche nach globalen Showeffekten und dem Schein narrativer Komplexität. Wir befinden uns mittendrin im amerikanischen "War on Terror". Der erfahrene CIA-Agent Roger Ferris (Leonardo DiCaprio) operiert "undercover" im Irak und kommt dem gesuchten Führer eines Terrornetzwerkes auf die Spur, das Europa gerade mit einer Serie von Bombenanschlägen erschüttert. Die Hinweise führen zu einem konspirativen Haus in Amman, wo Ferris mit dem jordanischen Geheimdienst zusammenarbeiten muss. "Eine Bedingung habe ich," sagt dessen gefürchteter Chef Hani (Hervorragend: Mark Strong) "Sie dürfen mich niemals belügen." Die Forderung wirkt ein bisschen naiv für einen Mann mit einschlägiger Berufserfahrung im Spionagewesen, aber sie steht auch nur so im Drehbuch, um sicherzustellen, dass Ferris ihn schon bald belügen muss. Denn der Agent dort unten am Boden hat einen Vorgesetzten, der jeden seiner Schritte über ein AWACS-Flugzeug im Himmel genau verfolgt und mit ihm in dauerndem fernmündlichen Kontakt steht. Mit Der Mann, der niemals lebte gründet Scott auch ein neues Subgenre: den Mobiltelefonthriller. Müssten die Protagonisten (wie die Filmkritiker zur Pressevorführung) am Eingang ihre Handys abgeben, würde der Plot in sich zusammensinken wie ein aufgerissener Heißluftballon. Egal ob nebendran halbe Straßenzüge in die Luft fliegen oder Ferris im feindliche Kugelhagel einen Verdächtigen verfolgt - der echte Profi hat immer noch eine Hand frei, um mit seinem Boss zu telefonieren. Während Ed Hoffman (Russell Crowe) in Washington den Wocheneinkauf im Kofferraum verstaut, trifft er - das Headset immer im Ohr - Entscheidungen über Leben und Tod im Nahen Osten. Russell Crowe spielt den arroganten Bürokraten sehr glaubwürdig als grauen Mittelklasse-Mann ohne Gewissen, während DiCaprio hier wieder einmal zeigen kann, dass er ein ganzer Kerl ist, dessen Integrität durch zahllose körperliche Verletzungen im Kampfeinsatz nicht beschädigt wird. Souverän klickt sich der Film von einem Handlungsort zum nächsten. Die Schnitte sind schnell, ohne ins sinnlose Stakkato zu verfallen. Die Kugeln zischen dem Publikum im Dolby-Surround um die Ohren. Die Explosionen erfüllen die Erwartungen anspruchsvollster Pyromanen. Aber trotz all diesen visuellen Versuchungen und der zur Schau gestellten politischen Aktualität lässt einen das professionelle Thrillerwerk auf befremdliche Weise kalt. Vielleicht liegt das daran, dass der Zynismus der Geheimdienstbranche zu sehr auf die Haltung des Films übergeschlagen ist. Was nützt ein Held in höchster Lebensgefahr, wenn man sich nicht um ihn sorgt? Martin Schwickert Body of Lies. USA 2008 R: Ridley Scott B: William Monahan, Alexander Witt D: Leonardo DiCaprio, Russell Crowe, Mark Strong
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