MÄNNER AL DENTE

Heimlich schwul

Diese italienische Familien-Komödie ist besser als ihr dusseliger deutscher Titel vermuten lässt

Tommasos Gesicht glüht vor Aufregung. Jetzt hier bei dieser Familienfeier will er sich endlich offenbaren. Schluss mit all den Lügen und der Geheimnistuerei. Sein Vater, seine Mutter, die ganze Familie sollen endlich wissen, dass er in Rom nicht Wirtschaft, sondern Literatur studiert, dass er nie und nimmer die väterliche Nudelfabrik übernehmen, sondern Romane schreiben will, und dass er die Familiendynastie nicht mit weiteren Nachkommen versorgen wird, weil seine ganze Liebe einem Mann gehört.

Mit zitternden Händen greift er zur Gabel, aber bevor diese das Glas berührt, verschafft sich sein Bruder Antonio Gehör. Vor versammelter Sippschaft erzählt er von seiner Liebe zu einem Arbeiter, den er entlassen hat, um den Ruf der Familie nicht zu gefährden, von der Feigheit den eigenen Gefühlen gegenüber und dem festen Entschluss jetzt hier und heute alle familiären Fesseln von sich zu werfen und seine Homosexualität frei auszuleben.

Der Vater ist empört und verstößt den abtrünnigen Sohn, die Mutter zeigt sich besorgt über die gesellschaftlichen Folgen des Skandals, die Geschäftsfreunde tuscheln pikiert und Tommaso kann es nicht fassen, dass sein Bruder ihm die Show gestohlen hat.

Mit einem grandiosen Paukenschlag beginnt Ferzan Ozpeteks italienische Familienkömödie Männer al Dente. Von dem beknackten deutschen Verleihtitel darf man sich nicht abschrecken lassen. Was nach einem müden Neuaufguss von Maria ihm schmeckt's nicht oder gar Eis am Stiel klingt, entpuppt sich als herzerfrischende Komödie.

Nach dem theatralen Abgang des Bruders und einem nachfolgenden Herzinfarkt des Vaters gibt Tommaso klein bei und rückt gemeinsam mit Alba (Nicole Grimaudo), der Tochter des neuen Teilhabers, an die Spitze des Pasta-Imperiums. Aber auch wenn er sich als Geschäftsführer noch so viel Mühe gibt und sich die wunderbare Alba in ihn zu verlieben beginnt, will aus dem schwulen Romancier einfach kein heterosexueller Nudelfabrikant werden. Während Tommasos Eltern vor den amourösen Präferenzen ihrer Söhne die Augen verschließen, ermuntert die Großmutter den Enkel, zu seinen wahren Leidenschaften zu stehen. Sie selbst hat den falschen Mann geheiratet und sich ein Leben lang nach der Liebe ihres Lebens gesehnt.

In der konventionellen Form der italienischen Familienkomödie findet der in Italien lebende türkische Regisseur Ozpetek (Hamam) vom hartherzigen Patriarchen über die dominante Mutter bis hin zum griesgrämigen Dienstmädchen einen eigenen, federleichten Umgang mit den Klischees. Wenn die schwulen Freunde aus Rom zu Besuch kommen und verzweifelt die heterosexuellen Kumpels spielen, wie die Gastgeber sich der Wahrnehmung des Offensichtlichen verweigern, ist das zum Brüllen komisch, ohne dass Ozpetek den zärtlichen Zugang zu all seinen Figuren für ein paar Lacher zur Disposition stellt.

Martin Schwickert

Mine vaganti I 2010 R: Ferzan Ozpetek B: Ivan Cotroneo, Ferzan Ozpetek D: Riccardo Scamarcio, Nicole Grimaudo, Alessandro Preziosi