»DEEP BLUE SEA«

Gut durchgekaut

Renny Harlin fischt frische Fische

Am Anfang ist das Meer, wüst und leer und dunkel. Und drunter streift eine subjektive Kamera mit Streicherbegleitung herum, dass sich die Magensäure schon im Munde wellt. Dann kommt ein Boot in den Blick, fummelnde Teenager darauf, schwankende Gestalten zwischen Rücksitz und Vorspiel. Es rummst - rot tropfts von oben in die Flut - das Cello-Stakkato wird schneller: der weiße Hai ist voll im Bild. Die Reizflüssigkeit aber ist Wein - und das Boot ist ein Katamaran.
Auf zwei Kielen schippert Renny Harlins Fisch & Fleisch-Film dem so dann doch nicht ganz genau vorhersehbaren Ende zu: mit einem Auge ständig zwinkernd, das andre starr vor Schreck, weit aufgerisssen. Tatsächlich: hier bleibt einem einmal der sprichwörtliche Schenkel im Halse stecken, vor wissendem Schulterklopfen, entsetzem Lachen, Heldenmut und Frauenleiden.
Schon das: der mad scientist ist eine starke, skrupellose und schöne Frau, die Haie gentherapiert, um ihnen das Hirn auszupumpen, weil der Extrakt gegen Alzheimer helfen soll. Krankhaft vergesslich aber ist sie selber: noch jeder Forscher, der sich gegen die Natur versündigte, wurde von seinem revolutionären Durchbruch aufgefressen, wenigstens im Kino.
Aber wir greifen vor: die Angegriffenen vom Anfang werden noch vor den Titeln gerettet. Aus dem Hinterhalt zischt eine Harpune heran, Halali für den Hai, Spielberg hat seine Schuldigkeit getan - jetzt kommt Renny.
Der gebürtige Finne arbeitet hart daran, eine Art Kaurismäki des Action-Kinos zu werden. Eine Handschrift hat er zwar immer noch nicht, die Zitate werden auch nicht weniger, aber lakonischer, versteckter, veschränkter. Kommt etwa ein Hai in die Küche und schaltet den Gas-Herd ein, in den sich der Koch flüchtete (Jurrassic Park) - dann bereitet der, knapp entschlüpft, ein Fisch-Flambee mit dem Feuerzeug-Weitwurf, den Harlin in fast jedem seiner Filme einsetzt.
Bedrängnis und Befreiung aber funktionieren wieder wie beim ersten Mal, weil es inzwischen soviele standardisierte Action-Reaktionen gibt, dass die Auswahl den Effekt macht, nicht der Einfall. Und plötzlich öffnet sich hinter der wohlsortierten Trickkiste wieder ein Abgrund an Bedeutung. Plötzlich ist das Problem wieder das Risiko wert: Saurier Rückzüchten? Mummpitz - aber Alzheimer, das ist ein Gegner! Willy freilassen? Kidstuff - aber die amoralische Intelligenz, den Hai in uns allen, daran hindern, das offene Meer zu erreichen, dafür stirbt man doch gern.
Und schnell. Das meist aus der zweiten Reihe besetzte Personal der Hai-Station wird ziemlich bald ziemlich gründlich durchgekaut. Blut schwappt durch die Gänge, Weicheier reifen zu Kerlen, Großmäuler werden hysterisch, die blonde Assistentin hat gerade keine Kreisch-Rolle ... "Ein gutes Omelett ist ganz einfach", doziert der Koch als er seinen Nachruf auf Video aufnehmen will: "man nehme zwei Eier. Nicht drei, wie die meisten sagen ... und bloß keine Milch". Der Rest ist Handlung, gut gequirlt.

WING