DEATH PROOF

Alte Leidenschaften

Quentin Tarantino ist wieder da - diesmal mit Kurt Russell, schnellen Autos und viel Liebe zum Schmuddelkino

Grindhouse - so nannte man in den USA die Schmuddelkinos um die Ecke, die im Doppelpack B- und C-Movies so lange herunterspielten, bis die Filmkopien durchgenudelt waren. Neben Kung Fu-Streifen liefen hier auch Zombie-, Softporno-, billige Horror- und Actionfilme. Quentin Tarantino hat in diesen Kinos seine Jugend verbracht, bevor er den Job in einer Videothek antrat und nach Reservoir Dogs zum Kultregisseur avancierte. Anspielungen darauf gab es schon in Kill Bill.
Gemeinsam mit seinem Kumpel Robert Rodriguez hat Tarantino nun eine Hommage an das Kino seiner Kindheit gedreht. Rodriguez bedient mit Planet Terror das Zombiegenre, während sich Tarantino in Death Proof dem Car-Chase-Movies verpflichtet fühlt. "Zwei Filme zum Preis von einem", hieß es in guter alter Grindhouse-Tradition in den USA. Der deutsche Verleih hingegen kassiert doppelt ab und bringt die Zwillingsfilme einzeln und zeitlich versetzt in die Kinos.
In Death Proof geht es um schnelle Autos, scharfe Mädels und einen echt miesen Killer, der sein "todsicheres" Vehikel als Waffe einsetzt. "Stuntman Mike" nennt er sich und wird von einem umwerfenden Kurt Russell gespielt. Früher hat Stuntman Mike Kopf und Körper für Serien wie Ein Colt für alle Fälle hingehalten. Davon hat er eine riesige Narbe im Gesicht, die für seine schlechte Auftragslage im Filmgeschäft verantwortlich ist.
Hässlich, charmant und kreuzgefährlich ist dieser Kerl, der in einer Bar ein Frauen-Trio (Sydney Tamiia Poitier, Vanessa Ferlito, Jordan Ladd) ausspäht, das sich mit Hochprozentigem und ein paar notgeilen Jungs amüsieren will.
Während sich draußen der Himmel über Texas ausschüttet und drinnen die Juke-Box knisternde 70er-Jahre-Platten abspielt, streift die Kamera mit vermeintlich unbeholfener Eleganz durch den Laden. Und da sind sie auch wieder, die sich im Kreise drehenden Tarantino-Dialoge, in denen sich die Frauen ausgiebig über die Banalitäten des Alltags streiten und dabei vollkommen nebenbei ihre Seele freilegen.
Bevor man sein Herz an die Figuren verlieren kann (oder kurz danach), werden sie von Stuntman Mike zu Brei gefahren. Das sieht äußerst unappetitlich aus - der mortale Zusammenprall wird gleich dreimal hintereinander gezeigt - und ruft nach Rache.
Seit Kill Bill weiß man, dass Rache ein Gericht ist, dass am besten kalt serviert wird. In Death Proof kann man sich davon überzeugen, dass es heiß auch ganz gut schmecken kann. In Lebanon, Tennessee, legt sich Stuntman Mike mit den falschen Frauen an. Denn die Mädels in dem weißen Dodge Challenger haben selbst Stuntgirl-Erfahrungen und lassen sich nicht von dem ausrangierten Narbengesicht einschüchtern.
Aus dem Zusammentreffen entsteht eine ebenso ausgedehnte, wie atemberaubende Autoverfolgungsjagd, die durch ihre physische Präsenz die ganzen durchdigitalisierten Actioneinlagen a la Matrix in die Tasche steckt.
Neben Kill Bill, wo Tarantino seine handwerkliche Meisterschaft zelebrierte, ist Death Proof eher eine Spielerei mit einem heiß geliebten Genre. Tarantino lässt es sich nicht nehmen, mit krachender Tonspur, ruppigen Schnitten, fehlenden Filmrollen, verfusselten und zerkratzten Bildern die Schmuddelkinoatmosphäre auch für das verwöhnte Multiplex-Publikum zu rekonstruieren.
Death Proof ist nicht nur eine nostalgische Hommage, sondern auch eine charmante Kriegserklärung an die politisch korrekten, weltmarkpolitisch durchkalkulierte Blockbuster-Produktionen, die nach Perfektion streben, aber nur noch selten eine wirkliche Leidenschaft für das Kino erkennen lassen.

Martin Schwickert

USA 2007 R&B&K: Quentin Tarantino D: Kurt Russell, Rosario Dawson, Zoe Bell . 127 Min. / 90 Min. (Edited Version)