DAREDEVIL

Braver Held

Noch'n Comic-Held im Kino: Ben Affleck wird blind, hört aber dafür umso besser

Er ist rot-geledert, hat kleine Hörner und hängt buchstäblich am Kreuz: In der ersten Szene der Comic-Verfilmung Daredevil sieht es düster aus für den Superhelden. Vom Kirchenkreuz wirft sich der selbsternannte Rächer aus New York auf den Altar einer kleinen katholischen Gemeinde - und bevor die Engelein anfangen zu singen, gibt es erst einmal einen Flashback.
Daredevil heißt jetzt Matt Murdock, ist zwölf Jahre alt und wohnt in Hells Kitchen, einem üblen Viertel. Matts Vater war einmal Preisboxer und ist jetzt Alkoholiker. Nebenbei hilft er dem Mob, Geld einzutreiben. Als ihn Matt dabei versehentlich erwischt, rennt der Junge wie von der Tarantel gestochen in eine Tonne Giftmüll hinein. Daraufhin wird er zwar blind, doch seine übrigen Sinne entwickeln sich im übernatürlichen Maße. Seinen Vater kann er jedoch nicht schützen. Der fällt einem Mord des Untergrund-Bosses, dem Kingpin, zum Opfer. Matt schwört, Gerechtigkeit walten zu lassen, so oder so. Bis hierher fühlt man sich in eine modifizierten Geschichte von Spiderman versetzt. Doch im Gegensatz zum Spinnenmann verfolgt unser Held perfidere und tödlichere Pläne. Im Erwachsenenalter arbeitet er als Anwalt, um die Strassen vom Gesindel zu reinigen. Da nicht jeder Verbrecher rechtskräftig verurteilt wird, schnappt sich Daredevil die bösen Buben des nachts und richtet sie in feinster Selbstjustiz. Tag und Nacht im Einsatz kennt Daredevil weder Müdigkeit noch Gefühle. Man nennt ihn den Mann ohne Angst, bis er der hübschen und nicht weniger Kung Fu-begeisterten Elektra (Jennifer Garner aus der Pro 7-Serie Alias ) begegnet.
Emotionen, Gewissen, Rachegelüste und Komplotte vermischen sich bald in durchsichtiger aber unterhaltsamer Art und Weise. Obwohl der Stoff auf Action-Sequenzen aufbaut, vermeidet es Regisseur und Drehbuch-Autor Mark Steven Johnson, Gewalt zu sehr in den Fokus des Geschehens zu setzen. Er lehnt sich eng an die Comic-Vorlage an, erzählt seine Geschichte von Daredevil behutsam und lässt die Nebenfiguren trotzdem völlig untergehen.
Ben Affleck kann als Protagonist nicht denselben Überraschungseffekt einfahren wie Tobey Maguire in Spiderman, allein deshalb, weil Affleck physisch für das Genre prädestiniert zu sein scheint. Außerdem wirkt sein zerrissener Held manchmal platt und seltsam abwesend.
Daredevil ist kein misslungener Film, sondern eine düstere Adaption eines noch düsteren Stoffes. Der Film spielt gut die Balance zwischen leichter Unterhaltung und tragischen Plot-Entwicklungen aus. Er glänzt mit sehenswerten Special Effects, besonders wenn die ertastbare Welt aus Daredevils Sicht dargestellt wird. Ob sich die Begeisterung vom amerikanischen Markt auf den deutschen übertragen lässt, bezweifeln Branchenkenner. Dafür ist die Comic-Figur in Deutschland zu unbekannt.

Ulf Lippitz

USA 2002, R/B: Mark Steven Johnson, basierend auf dem Comic-Charakter von Stan Lee und Bill Everett, K: Ericson Core, D: Ben Affleck, Jennifer Garner, Michael Clark Duncan