DANCE FOR ALL

Polyrhythm is it

Auf dem Tanzbein aus den Townships - kein Märchen

Tanzende Kinder. Treibende Rhythmen. Glückliche Gesichter. In cleveren Schnitten verschmelzen hoppelnde Küken, pirouettierende Teenies und ausdrucksvoll sich windende junge Erwachsene zu einem Ballett aus Stampfen und Schweben, Schwanensee und Stammesfest. Und zu einem bunten Bild aus allen Schattierungen von Schwarz.

Elena Bromund und Viviane Blumenschein haben einen mitreissenden Dokumentarfilm über die südafrikanische Tanzschule "Dance for All" gedreht. Anfang der 90er gründete Phyllis Spira, jahrzehntelang die weiße Primaballerina des Hauptstadt-Balletts, mit ihrem Mann Philip Boyd diese Schule mitten in einem schwarzen Vorort. Anfangs lachte die weiße Tanz-Szene noch über das Projekt, weil schwarze Kinder doch nur "dicke Hintern und große Füße" hätten. Nach ein paar Jahren aber staunten alle.

Die Lehrer wunderten sich, dass die doch sehr unterschiedlichen Bewegungskulturen von Ballett und Straße zusammenfanden. Die Eltern der Township-Kinder freuten sich, dass junge Afrikaner alte europäische Schrittfolgen drillten, weil so die Kinder Disziplin lernten. Und Kulturveranstalter waren, zunehmend auch im Ausland, begeistert darüber, dass die "Dance for All"-Truppe neben exotischer Farbe auch untadelige Technik auf die Bühne brachte.

"Viele Tänzer sind tot" sagt einer im Film. Erschossen, vom Zug überfahren, in Bandenkriegen verschwunden. Die Kriminalitätsrate ist hoch in den Townships, ein bürgerliches Leben ist für die meisten Bewohner noch fern. Da läge es nahe, ein simples Aufsteigermärchen zu erzählen: Wie talentierte Neger von herzensguten Weißen lernen, dass man mit festem Willen und viel Üben alles erreichen kann.

Elena Bromund und Viviane Blumenschein haben das zum Glück nicht getan. Sie feiern einerseits den Erfolg einzelner Tänzer, sie zeigen aber auch, wie die internationale Karriere einen für die Heimat verdirbt, und wie seltsam es wirkt, wenn ein Haufen Kinder in rosa Ballettschul-Trikots zu frenetischem Trommeln bewegungslustig MTV-Choreos nachzappelt.

Immer wieder kontrastieren die Regisseurinnen den Höhenflug der Erfolgreichen und die Hoffnung der Talente mit Besuchen bei Familien und Freunden in ärmlichen, manchmal eine Spur zu malerisch fotografierten Verhältnissen. Manchmal ist der Kitsch sehr nah, wenn eine Mutter vor Freude weint ("mein Sohn tanzt mit Weißen"), manchmal ist die Politik auch zu fern, wenn die Finanzierung des Projekts knapp mit dem Verweis auf Spenden erledigt wird. Aber über allem regiert das Feuer, das Billy Elliot, Alex Owens und Simon Rattle antrieb.

Wing

D 2008, R: Elena Bromund, Viviane Blumenschein K: Franz Lustig D: Philip Boyd, Phyllis Spira, Zandile Constable, Nqaba Mafilika