DAS LEBEN DER ANDEREN
Spitzel mit Herz Die Geschichte einer STASI-Überwachung mit anderem Ausgang
Gleich zwei Filme bieten zur Zeit Rückblicke in die DDR-Geschichte an. Gerade erst ist Dominik Graf mit Der rote Kakadu in die DDR zur Zeit vor dem Mauerbau gereist, jetzt setzt sich Florian Henckel von Donnersmarcks Regiedebüt Das Leben der Anderen mit dem Spitzelsystem der Staatssicherheit auseinander.
Wer glaubt, dass das Thema durch zahllose Enthüllungsberichte und Fernsehreportagen längst durchgekaut ist, muss sich hier eines Besseren belehren lassen. Denn das Kino leistet sich jenen mikroskopisch genauen Blick, der die emotionalen Zerwürfnisse, die das engmaschige Netz aus Observation und Denunziation ausgelöst hat, adäquat ins Bild setzen kann.
Das Leben der Anderen ist Anfang der Achtziger angesiedelt, als die letzten Reste des sozialistischen Idealismus in der DDR verglüht waren und der Parteiapparat sich nur noch selbst zu beatmen schien. Der erfahrene Stasi-Offizier Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) bekommt den Auftrag, den Dramatiker Georg Dreyman (Sebastian Koch) zu bespitzeln. Dreyman gilt mit seinen Stücken aus der Arbeiterklasse als einziger linientreuer Autor, der sogar im Westen Anerkennung findet. Aber Wieslers Vorgesetzter (Ulrich Tukur) hofft, durch den OV Lazlo Karriere machen zu können. Schließlich hat der Kulturminister ein Auge auf die Lebensgefährtin des Theaterautoren geworfen und möchte den Konkurrenten kalt stellen.
Die Wohnung wird verwanzt und Wiesler bezieht auf dem Dachboden sein Abhörquartier. Aber je länger er sich mit Mikrophon und Kopfhörer in das Leben von Georg und Christa-Maria (Martina Gedeck) hineinhorcht, desto mehr verliert er die Perspektive des objektiven Überwachers und entwickelt Interesse und Sympathien für das Künstlerpaar, das ihm den Blick in eine neue Lebenswelt eröffnet. Als Dreyman nach dem Selbstmord eines befreundeten Regisseurs, der seit Jahren Berufsverbot hatte, einen Artikel für den westdeutschen Spiegel über die geheime Selbstmordstatistik der DDR schreiben will, gerät Wiesner in einen Gewissenskonflikt. Der Stasi-Offizier beginnt aktiv an seinen Vorgesetzten vorbei in "Das Leben der Anderen" einzugreifen.
Dadurch dass Henckel von Donnersmarck nicht nur die persönlichen Auswirkungen der Bespitzelung auf die Abgehörten, sondern auch auf den Abhörenden beschreibt, entgeht er der üblichen Schwarz-Weiß-Malerei, mit dem filmische Diskurse über die Stasi oft behaftet sind. Ulrich Mühe ist einfach famos in der Rolle des sozialistischen Pflichterfüllers, der in Gewissenskonflikt gerät und wenigstens für einen kurzen Moment über sich selbst hinaus wächst. Das Leben der Anderen ist eine sehr präzise politische Studie, versucht sich aber gleichzeitig vorsichtig und mit Erfolg auf der Klaviatur des Dramas.
Martin Schwickert
D 2006 R&B: Florian Henckel von Donnersmarck K: Hagen Bogdanski D: Ulrich Mühe, Martina Gedeck, Sebastian Koch
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