THE CROW - DIE RACHE DER KRÄHE


Hero at work

Die Fortsetzung ohne echten Toten

Das Filmgeschäft schafft manchmal auf schicksalhafte Weise seine eigenen Legenden. Als 1994 die erste Verfilmung des Kultcomics "The Crow" produziert wurde, starb der Hauptdarsteller Brandon Lee gegen Ende der Dreharbeiten, weil eine der verwendeten Waffen versehentlich mit scharfer Munition geladen war. The Crow, die Fantasy-Geschichte eines Rächers aus dem Reich der Toten, wurde damals zum Überraschungserfolg und spielte mehr als 100 Millionen Dollar ein. Da werden kommerzielle Fortsetzungsinteressen schnell geweckt, und nach einer kurzen Schon- und Trauerfrist kehrt der Racheengel nun in The Crow - Die Rache der Krähe unter der Regie von Tim Pope zurück auf die Leinwand.
Los Angeles in postapokalyptischer Zukunft: Die Stadt sieht aus, als wären die Aufstände von 1990 weitere zwanzig Jahre ohne Unterbrechung und Aufräumungsarbeiten weitergegangen. Produktionsdesigner Alex McDowell hat hier Ansehnliches zustandegebracht. Ein atmosphärisch-dichtes Untergangsszenario, das die zerstörte Stadt in ein immer gelbes Natriumlicht taucht. Düster-spinnwebige Gruftie-Appartements. Große Lagerhallen, die auf pyrotechnisch interessante Weise in die Luft gehen. Monströse Peep-Shows, in denen Perverslinge ihr gerechtes Ende finden. Und immer wieder Kerzenlicht und Totenmasken. Es gibt viel zu sehen in diesem Film aus Sodom und Gomorra.
Schlicht hingegen ist die Geschichte: Ash (Vincent Perez), der von hundsgemeinen Drogenhändlern samt Sohn unschuldigerweise ermordet wurde, kehrt aus dem Reich der Toten zurück, um Rache zu nehmen. Insgesamt vier Versionen der Hinrichtungen mit steigenden Schwierigkeitsgraden werden vorgeführt. Zuletzt geht es dem sadistischen Drogenbaron Judah (Richards Brooks) ans Leder, der die Stadt mit blutiger Hand regiert und die seherischen Fähigkeiten einer Wahrsagerin zu nutzen weiß. Nebenbei plätschert eine zarte Liebesgeschichte zwischen Ash und der schönen Sarah (Mia Kirshner als "Exotika"), die ebenfalls über gute Verbindungen in jenseitige Welten verfügt. Doch obwohl Sarah lüstern die grünen Augen verdreht, verweigert der untote Held den Beischlaf mit den schönen Worten: "Ich muß zu Ende bringen, was ich angefangen habe" und eilt überstürzt mit wehenden, ledernen Rockschößen voller Tatendrang von dannen.
Der exzentrische Gestaltungswille, die Auftritte Iggy Pops als zweitgrößtem Bösewicht und der exzellente Soundtrack, der von den White Zombies bis PJ Harvey alle Stilrichtungen härterer Gangart miteinander verbindet, machen aus The Crow - die Rache der Krähe ein perfekt gestyltes Kultprodukt. Aber wie die meisten Fantasy-Comic-Verfilmungen (zuletzt "Barb Wire") wird auch in Tim Popes Film die Banalität der Story, die man als Comic-Leser gerne übersieht, in Leinwandformat zum peinlichen Verhängnis. Dialoge, die man sich in Sprechblasen eingerahmt noch gerade so gefallen läßt, sterben in der Audio-Version einen grausamen Tod. Und dann kann auch die schillernd-bunte Oberfläche das hohle Innere dieses Gruftie-Märchens einfach nicht mehr verbergen.

Martin Schwickert