COPLAND
Rambo als Dickerchen
Hinter der Idylle lauert das Böse: Sly Stallone, Harvey Keitel und Robert De Niro in James Mangolds Cop-ThrillerGarrison, New Jersey, ist ein sicherer Ort. Im Schatten des Molochs New York haben sich hier auf der anderen Seite des Flusses die City-Cops ihre kleinstädtische, private Law-and-Order-Idylle aufgebaut. Nach harten Einsätzen in der chaotischen Metropole kehren sie täglich über die George-Washington-Bridge zu Frau, Kind und Reihenhaus zurück. Der gutmütige, schwerhörige Sheriff Freddy (Sylvester Stallone) hat im Polizisten-Ghetto einen ruhigen Job: hier und da ein paar Geschwindigkeitsüberschreitungen, ab und an ein kleines Müllentsorgungs-Vergehen und immer noch genug Zeit, um einen verlorengegangenen Stoffteddy mit dem Streifenwagen wieder nach Hause zu bringen.
Wer im Kino gut aufgepasst hat, weiß, daß jede Idylle ihren Preis hat. Das ist in James Mangolds Copland nicht anders. Denn hinter der glatten Fassade friedlichen Spießertums ist die verschworene Gemeinschaft der Ordnungshüter längst mit dem städtischen Virus der Korruption infiziert. Im Schatten der Provinzstadt wickelt der altgediente City-Cop Ray Donlan (Harvey Keitel) seine dubiosen Geschäfte mit der Mafia ab, der Deal mit dem Mob hat damals einen Ort wie Garrison erst geschaffen. Die Mafia besorgte die günstigen Kredite, und die Häuslebauer bekämpften das Verbrechen drüben in der Stadt fortan nur noch selektiv. Als ein Polizist aus Garrison auf mysteriöse Weise verschwindet, kommt Moe Tilden (Robert De Niro) aus der Abteilung für polizeiinterne Angelegenheiten der Sache auf die Spur. Der harmlose Sheriff Freddy muß erkennen, daß nichts so ist, wie es scheint und nimmt den Kampf gegen die allmächtige, korrumpierte Männergemeinschaft auf.
Wie Bryan Singer (Die üblichen Verdächtigen), David Fincher (Sieben), Jonathan Mostrow (Breakdown) gehört auch James Mangold jener jungen Generation von Regisseuren an, die frischen Wind in die Hollywood-Routine bringen. Auch Copland zeichnet sich weniger durch radikalen Avantgardismus aus als vielmehr durch profunde Genrekenntnis, selbstbewußten Stilwillen und einen perfektionistischen Umgang mit filmischen Gestaltungsmitteln.
Regisseur und Drehbuchautor Mangold verzichtet auf die geradlinige Fließband-Dramaturgie und führt mehrere Charaktere als Hauptfiguren gleichberechtigt durch den Film. Copland ist ein Männerfilm, kommt jedoch ohne verklärende Helden-Mythen aus. Vielmehr buchstabiert dieser Internal-Affair-Thriller die verschiedenen Ausformungen des "moderenen, männlichen Zynismus'" (Mangold) überzeugend durch. Mit Robert De Niro, Harvey Keitel und Ray Liotta stehen dem Jungregisseur eine Riege von Schauspiel-Veteranen zur Seite, die die sauber gestrickte Story darstellerisch veredeln. Sylvester Stallone, der hier einmal nicht den gefährlichen, sondern den gutmütigen Trottel spielt, entpuppt sich als brillianter Casting-Coup. Stallone hat sich für die Rolle saftige 15 Kilo angefressen, auf die übliche Millionengage verzichtet und will mit "Copland" ins Charakterfach wechseln. Das mag man belächeln, aber als stoisch-naiver Sheriff Freddy ist Ex-Rambo Stallone als Dickerchen einfach ideal besetzt.
Martin Schwickert
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