SCHMALSPURGANOVEN Keksbäcker
Woody Allen und Tracy Ullman als prolliges Gaunerpärchen Im Knast wurde Ray nur "The Brain" genannt. Das war ironisch gemeint, und alle außer ihm haben das verstanden. In Schmalspurganoven spielt Woody Allen selbst den unbedarften Tellerwäscher und Gelegenheitsgauner. Litten Woody Allens frühere Charaktere oft an schmerzenden intellektuellen Verwirrungszuständen, so lebt Ray Winkler vollkommen selbstzufrieden am unteren Ende der IQ-Skala. Ray ist ein Mann mit Plänen. Als er bei seiner Frau mit einer Schachtel Pralinen aufkreuzt, schöpft Frenchy (Tracey Ullman) sofort Verdacht. Ohne Vorgeplänkel springt der Film mitten hinein in den Ehekrach und entzündet gleich zu Beginn ein Dialogfeuerwerk, wie es eben nur Woody Allen zustande bringen kann. Es geht eigentlich um belgische Schokolade, aber man erfährt alles über die ehelichen Machtverhältnisse und die endlosen Niederlagen in Rays Ganovenkarriere. Schlussendlich stimmt Frenchy missmutig dem Vorhaben zu, vom Ersparten einen leerstehenden Laden zu kaufen. Von dessen Keller aus will sich Ray mit seinen Kumpanen Benny (Jon Lovitz) und Danny (Michael Rapaport) ins benachbarte Bankgebäude durchgraben. Derweil soll Frenchy oben zur Tarnung selbstgemachtes Gebäck verkaufen. Aber während die Tunnelbauer über die Buddelrichtung diskutieren, Wasserleitungen anbohren und schließlich in einer Boutique statt im Tresorraum landen, macht Frenchys Keks-Bäckerei unerwartete Rekordumsätze. Ein Jahr später hat das expandierende Backwarenimperium die erfolglosen Bankräuber zu Multimillionären gemacht. Die schmucke Wohnung der Winklers in der New Yorker Park Avenue ist randvoll mit kostspieligen Souvenirs des neureichen Lebensstils. Ray fühlt sich unwohl in seinem teuren Anzug. Französische Antiquitäten sind nicht sein Geschmack und der Anblick moderner Malerei führt bei ihm zu Depressionen. Frenchy hingegen blüht auf im neuen High-Society-Leben. Im Fremdwörterlexikon hat sie den Buchstaben A schon fast ganz durchgearbeitet, und für Nachhilfestunden in Sachen Kultur und Klasse hat sie sich den schnöseligen Kunsthändler David (Hugh Grant) engagiert. Unversehens ist aus der Gaunerkomödie eine Sozialsatire geworden, die ihre naiven Emporkömmlinge in die Hölle des großbürgerlichen Snobismus führt. Schon in Celebrity hat Allen die Gesetzmäßigkeiten und Verhaltensstörungen der Kulturschickeria genauestens studiert. In Schmalspurganoven zeigt er, was passiert, wenn aus Tellerwäschern tatsächlich Millionäre werden. Genüsslich werden die vergeblichen Versuche vorgeführt, sich in den amerikanischen Geldadel zu integrieren. Der Weg der Winklers ist gepflastert mit lustvollen Geschmacksverirrungen und beherzten Verstößen gegen die Etikette. Die Geschichte vom Aufstieg und Fall neureicher Keksbäcker gehört sicher nicht zu den Geniestreichen Woody Allens. Aber auch seine 31. Regiearbeit überzeugt durch Tempo, Dialogwitz und überbordenden Ideenreichtum. Vom Nährstoffgehalt eines durchschnittlichen Allen-Films könnte mancher Komödienschreiber bis zur Rente zehren.
Martin Schwickert
Small Time Crooks USA 2000 R&B: Woody Allen K: Zhao Fei D: Woody Allen, Tracey Ullman, Hugh Grant 95'
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