CONTROL

Alles zu viel

Anton Corbijn verfilmt Ian Curtis von »Joy Division«

In der Popgeschichte wimmelt es von Karrieren, die im Selbstmord oder drogentodbedingt endeten. Auch die Karriere des aufstrebenden Briten Ian Curtis fand ein abruptes Ende. Am 18. Mai 1980 nahm sich der Sänger der Postpunkband Joy Division mit nur 23 Jahren das Leben. In seinem ersten Kinofilm widmet sich Musikfotograf Anton Corbijn im nüchternen Schwarz-Weiß dem Schicksal des depressiven Epileptikers.

Ian Curtis (Sam Riley) wächst in einem beschaulichen Stadtviertel von Manchester auf, wo sein Leben den gewohnten Kleinbürgerweg geht. Mit 19 lernt er Debbie (Samantha Morton) kennen, die er heiratet. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Vermittler auf dem Arbeitsamt. Dann erfüllt sich Ian einen Jugendtraum, indem er als Sänger bei Joy Division einsteigt.

Die ersten Erfolge lassen nicht auf sich warten. Mit dem Ruhm kommt der introvertierte Junge allerdings nicht zurecht. Geplagt von Depressionen und epileptischen Anfällen, kulminieren die Probleme am Vorabend der ersten Amerikatournee.

Mit äußerster Hingabe und sehr viel Einfühlungsvermögen nähert sich Corbijn dem Seelenleben des Sängers. Ians Probleme schildert er als innere Konflikte, die kaum nach außen dringen. Der Musiker vertraut sich niemandem an. Weder seiner liebevollen Frau noch seinen Bandmitgliedern oder seiner zwischenzeitlichen Geliebten, einer von Alexandra Maria Lara gespielten Journalistin.

Stattdessen bauen sich stille Schuldgefühle und Versagensängste zu einer Todessehnsucht auf. Ians Epilepsie erscheint vor diesem Hintergrund wie eine logische Konsequenz. Ganz so, als würde sich sein Körper eigenmächtig gegen die inneren Zerwürfnisse wehren.

Eindrucksvoll verkörpert Sam Riley den Sänger. Daneben überzeugt einmal mehr Samantha Morton ( Sweet and Lowdown ) als verständnisvolle aber auch reichlich naive Ehefrau.

In Engand, wo Ian Curtis und Joy Division wesentlich bekannter sind als auf dem europäischen Festland, gehört Control aufgrund seiner einnehmenden Inszenierung, seiner leidenschaftlichen Darsteller und der prägnanten Schwarz-Weiß-Bilder zu den großen Abräumern auf diversen Independent-Festivals und -Preisverleihungen. Aber auch in Cannes und beim Hamburger Filmfest ließ Corbijns Film aufhorchen. Gerade letzteres dürfte wohl auch ein wenig am deutschen Lokalkolorit liegen. In Control feiert neben Alexandra Maria Lara ein kaum wiederzuerkennender Herbert Grönemeyer in einem Gastauftritt als Arzt nach über zwanzig Jahren sein Leinwand-Comeback!

Oliver Zimmermann

GB/USA 2007 R: Anton Corbijn B: Matt Greenhalgh. K: Martin Ruhe. D: Sam Riley, Samantha Morton, Craig Parkinson, Alexandra Maria Lara