»CONTACT«

Reden über Gott

Robert Zemeckis und Jodie Foster auf der Suche nach höheren Wesen

Als kleines Waisenmädchen wünschte sich Elli, die schon damals eine begeisterte Amateurfunkerin war, "unbedingt eine größere Antenne". Wahrscheinlich, um mit ihren verstorbenen Eltern Kontakt aufzunehmen. Als große Wissenschaftlerin Dr. Eleanor Arroway bekommt sie größere Antennen, wahrscheinlich die größten der Welt. Daß Sie damit ihre Eltern nicht erreichen kann, ist ihr inzwischen klar geworden, sie hat ihre Kontaktbemühungen auf außerirdisches Leben verlegt, und sie ist besessen davon. Nach etlichen Reibereien, Geldproblemen und böswilligen Einmischungen des intriganten Ober-Wissenschaftlers Drumlin mieten Elli und einige Getreue das Very Large Array (VLA), ein System aus 27 riesigen Radioteleskop-Schüsseln in der Wüste Neu-Mexikos. Die Kosten übernimmt der geniale aber schwerkranke Multimilliardär Hadden, der mit Unterhaltungselektronik sein Geld verdient hat und sich zunächst hübsch mysteriös im Hintergrund hält.

Aber auch das meiste Geld nützt nichts, wenn der Vermieter einen raushaben will, und so fliegt Elli wegen einer weiteren schurkischen Intervention Drumlins aus dem VLA. Kündigungszeit: drei Monate. Just in dieser Zeit empfängt Elli etwas, was wie der Pulsschlag des Universums klingt (zu hören hier: http://www.contact-themovie.com/), mit Sicherheit künstlich ist und nicht von der Erde kommt, sondern von der Wega, dem hellsten Stern im Sternbild der Leier. Bis dahin sind es 26 Lichtjahre - ein schönes Stück Weg, das die Botschaft genomen hat. Und bei genaueren Untersuchung stellt sich heraus, daß die Botschaft nicht nur eine einfache Botschaft ist, sondern eine Antwort. Auf eine Botschaft von der Erde, die vor mehr als zweimal 26 Jahren abgesendet wurde: die erste stärkere Fernsehübertragung der Welt, die zufällig Herrn Hitler bei der Eröffnung der olympischen Spiele 1936 zeigt, was für einige Irritation bei den Empfängern und Entschlüsslern und all den anderen vielen Menschen sorgt, die inzwischen mit der Botschaft zu tun haben: Militärs, Präsidenten, Forscher, Geistliche, Fanatiker, Terroristen, Reporter, CNN, Freaks... naja, die ganze Welt eben, einschließlich des fiesen Drumlin, der drauf und dran ist, die Lorbeeren für Ellis Beharrlichkeit zu ernten.

Die kosmische Botschaft zeigt aber nicht nur Hitler, sie enthält auch den Bauplan für eine ziemlich gigantischen Maschine, mit der möglicherweise ein Mensch zur Wega reisen könnte. So genau weiß man das nicht, aber man baut die Maschine erstmal. Und natürlich würde am liebsten Elli fliegen, aber da ist auch noch der üble Drumlin...

150 Minuten braucht Robert Zemeckis, um diese Geschichte zu erzählen, und manchmal entsteht dabei etwas, das wir die Wagneropern-Relativität nennen: nach zwei Stunden schaut man auf die Uhr und stellt fest, daß erst 30 Minuten vergangen sind. Das liegt daran, daß Contact weniger erzählt, wie sich Elli ihren Traum erfüllt, es geht auch nicht in erster Linie darum, wie die Welt auf außerirdisches Leben reagiert - nein, Contact behandelt die Frage, ob sich Religion und Wissenschaft auschließen. Wir haben dazu natürlich eine Meinung, aber Zemeckis (stellvertretend für Roman- und Drehbuchautoren) scheint keine zu haben. Und eine Meinung, eine Haltung, die man nicht hat, kann man natürlich auch nicht pointiert, interessant, kurzweilig oder gar erkenntniserweiternd äußern. Zemeckis ersetzt diesen Mangel durch Pathos, durch leidenschaftlich vorgetragene Monologe, in denen etwa gesagt wird, daß Religion und Wissenschaft eigentlich nur ein Ziel haben: die Suche nach Wahrheit. Und daß immerhin 95% der Menschheit an einen Gott glaubten und daß deshalb die rationale Elli keineswegs zur Wega fliegen dürfe, weil sie die Mehrheit der Menschen in dieser Frage nicht repräsentieren könne. Als wäre dafür ein fanatischer Katholik (nebenbei: der viel ältere Roman ist von Carl Sagan (siehe Seite 66), und der hat eine sehr dezidierte, nicht hollywoodfähige Meinung zum Verhältnis von Religion und Wissenschaft).

Aber Contact hat auch Qualitäten: neben der sehr ordentlichen Besetzung (Jodie Foster, James Woods, John Hurt und ein herrlich sadistischer Tom Skerritt als Drumlin) Bilder, die einen die inhaltlichen und dramaturgischen Schlampereien fast vergessen machen. Es beginnt, gleich nach dem Vorspann, mit einer wirklich atemberaubenden, teilweise stummen Rückwärtsfahrt von der Erde durch Galaxien, Sternennebel und was es dort oben noch alles gibt, direkt in das Auge eines kleinen Mädchens. Majestätisch und nur der Auftakt zu weiteren Bildern, die ergreifend und sehr kraftvoll sind. Nicht nur Spezialeffektspielereien wie diese Eingangssequenz, auch vorhandene und einfach gefundene Bilder, zum Beispiel die kleine Jodie Foster vor den 27 riesigen, sich scheinbar verneigenden Teleskopschüsseln des VLA, ein Slo-Mo-Ballett des Komunikationszeitalters. Naja, jedenfalls sehr schön.

Dadurch wird Contact noch nicht zu einem wirklich guten Film. Es scheint, als habe sich Robert Zemeckis einfach übernommen. Er versucht offenbar nicht nur, die Rätsel des Universums zu klären, sondern auch die Frage nach dem lieben Gott zu beantworten. Etwas viel für ein Popcorn-Movie.

Jens Steinbrenner