Circles

Kleine Wellen im Teich

Eine gute Tat und ihre Folgen: Ein bewegendes serbisches Drama nach einer wahren Begebenheit

Als der junge serbische Soldat Marko Anfang der 90er Jahre, mitten im Bosnienkrieg, im bosnischen Trebinje dazwischengeht, weil drei serbische Soldaten einen Bosnier auf dem Marktplatz zusammenschlagen, hält der Film die Szene genau in jenem Augenblick an, in dem das Entscheidende passieren wird. Marko steht den Tschetniks gegenüber, man blickt sich tief in die Augen. Lasst es sein, sagt Markom, der die Soldaten augenscheinlich kennt, vor allem deren Anführer Todor. Marko wird diese Intervention nicht überleben, das steht fest.

Dass wir nicht sehen, was in diesem Augenblick wirklich geschieht, ist wichtig in Srdan Golubovics Circels, der diese Untat an den Anfang stellt und seinen Film 12 Jahre später spielen läßt.

Der Bosnier Haris, der damals beinahe erschlagen worden wäre, lebt heute im deutschen Halle. Der Freund Markos, der damals tatenlos zusah, ist heute Chirurg in Belgrad, Markos Verlobte hat einen Anderen geheiratet, mit dem sie kreuzunglücklich ist und der sie zur Alkoholikerin gemacht hat. Und Markos alter Vater lebt immer noch in Trebinje und hat mit der Welt abgeschlossen.

Höchst sensibel führt der Film diesen Personenkreis durch die Handlung, und während der Vater verbittert feststellt, die Handlung seines Sohnes sei folgenlos für die Welt geblieben, sehen wird, dass das Gegenteil richtig ist. "Wenn du einen Stein ins Wasser wirfst, bilden sich ausbreitende Kreise;" sagt der Vater, "Markos Tat hat nichts dergleichen bewirkt."

Markos Witwe flüchtet mit ihrem kleinen Sohn zu Haris vor ihrem gewalttätigen Ehemann, Todor, Markos Mörder, landet nach einem schweren Verkehrsunfall auf dem Operationstisch des Chirurgen, Markos Vater lernt den Sohn des zweiten Mörders seines Sohnes kennen (bei einem knallend metaphorischen, großartig in Szene gesetzten Kirchenbau mitten im ödesten bosnischen Ödland). Und alle handeln, weil Markos Tat vor 12 Jahren in Terbinje sie berührt hat, sie betrifft, etwas verändert hat. Circles ist ein ruhiger, langsamer Film, der die Zusammenhänge nur langsam offenbart. Musikalisch sparsamst untermalt, stellt er Figuren und zerstörte Landschaften nebeneinander: Dies ist ein Land, in dem noch gar nichts vergessen, geschweige denn vergeben wurde.

Von einigen seltsamen Achsensprüngen abgesehen, lebt Circles vor allem von einer sehr kunstvollen Kameraführung, die jede Szene als Arrangement begreift und oft statisch bleibt. Srdan Golubovic hatte schon 2006 mit Klopka die Grenzen klarer moralischer Maßstäbe ausgelotet. Circles ist in vielerlei Hinsicht eine elaborierte, souveräne Bewältigung der gleichen Frage. In seinen besten Momenten erinnert der Film an Babylon und dessen Dramaturgie der inneren Zusammenhänge.

Erst mit der letzten Szene löst der Film die Anfangsszene auf und wir sehen, was wirklich geschah. Das letzte Bild ist ein starkes Filmzitat, das die nach einem wahren Vorfall inszenierte Geschichte stark ins Metaphorische verschiebt, ohne kitschig zu wirken. Und das man so leicht nicht vergisst.

Thomas Friedrich

Krugovi. Serbien 2013 R: Srdan Golubovic B: Melina Pota Koljevic, Srdjan Koljevic K: Aleksandar Ilic D: Aleksandar Bercek, Leon Lucev, Nebosja Glogovac, Vuk Kostic, Boris Isakovic. 112 Min. P.S. Dass die meisten Inhaltsangaben zu diesem Film die Pointe gleich im zweiten Satz verplappern, verrät, dass die meisten Inhaltsangabenmacher den Film nur halb verstanden haben; wenn sie ihn überhaupt gesehen haben, es kursieren im Detail fast nur sachlich falsche Inhaltsangaben.