CHRONICLE - WOZU BIST DU FÄHIG?

Wir waren Helden

Eine Mockumentary über juvenilen Überschwang

Die Fortsetzung ist schon beschlossene Sache, aber bei der rasanten Weiterentwicklung der mobilen AV-Medien wird es "Chronicle 2" schwer haben, noch einmal mit dem ästhetischem Spagat zwischen wackeligen HandyCam-Bildern und superheldenmäßigen Spezialeffekten zu trumpfen.

Im Grunde verlässt Regisseur Josh Trank schon mit Chronicle das pseudo-dokumentarische Found Footage-Genre, weil seine Bilder zu gut kadriert daher kommen, um als "echte" Mitschnitte durchzugehen.

Das war auch bei Cloverfield schon so, aber hier macht es mehr Sinn, weil die behauptete Allerweltsmedialität gut zu dem Ansatz passt, eine Superheldengeschichte aus der Sicht der ewigen Loser zu erzählen, die immer herumgeschubst werden, aber heutzutage wenigstens zurückgucken können. Und ihr eigenes klägliches Leben wenigstens als ihren Film davon neu erfinden. Ohne die Regieambitionen von Super 8, sondern einfach nur als Beweis der eigenen Existenz: Ich filme mich, also bin ich. Hilfsweise filmst du mich, oder irgendwer bloggt über mich.

Zwei Loser und des Kontrastes wegen ein beliebter Schüler stolpern eines Nachts über ein seltsames Ding, vermutlich außerirdischer Herkunft, und ziehen sich dabei langsam wachsende Superkräfte zu. Ganz wie in einem normalen Pubertätsmärchen entdecken sie bei allerlei Schabernack die Möglichkeiten ihres neuen Wesens. Anfangs natürlich verantwortungslos herumspielend, später zunehmend mit dem Peter Parker-Erbe ringend, dass aus großer Macht auch große Verantwortung folgt.

Wieso eigentlich? Wenig überraschend entwickelt der einzige Neu-Held mit einer ordentlich zerrütteten Backstory (prügelnder Vater, krebskranke Mutter) sich zum Super-Ekel. Weder er noch seine Freunde kommen auf die Idee, einen Weltenretter-Verein zu gründen. Nur vorübergehend einigen sie sich auf Spielregeln des Machteinsatzes. Aber schon bald randaliert das pure Vermögen. Fehlgeleitet bei der armen Sau, moralisch nicht sehr viel besser bei seinen Freunden, die sich nach atemberaubender Fliegerei zur finalen Schulhofprügelei treffen.

Der deutsche Titel hätte wohl besser "Was würdest du tun?" geheißen. Denn darum geht es im Grunde. Wie kommt man vom Ich über sich hinaus? Wenn man alles tun kann? Und einen Cousin hat, der Schopenhauer gelesen hat, bevor er mit uns über die Allmachtswurzel im Wald stolperte.

Wing

USA/GB 2012. R: Josh Trank B: Max Landis K: Matthew Jensen D: Michael B. Jordan, Michael Kelly, Alex Russell, Dane DeHann, Ashley Hinshaw