Der Fall Chodorkowski

Unklare Verhältnisse

Aufstieg und Fall des reichsten Russen der Welt

So ungefähr wissen alle, dass da etwas nicht stimmt mit diesem Mikhail Chodorkowski, der erst Karriere als Jungkommunist machte, dann unter Jelzin zum Multimilliardär aufstieg und schließlich als Oppositioneller von Putin wegen Steuerhinterziehung und Öldiebstahl nach Sibirien geschickt wurde. Was aber wirklich passiert ist, will keiner erzählen und kann keiner zeigen. So unterbricht Cyril Tuschi seine nach fünf Recherche-Jahren erstellte Montage aus Interviews und übertexteten Nachrichtenbilder an den entscheidenden Stellen mit dramatischen Zeichentrick-Passagen. Da bricht ganz thrillermässig ein Überfallkommando des Staates in ein Flugzeug ein und verhaftet ein Drahtmodell Chodorkowskis, das Züge von Charles Foster Kane trägt. An anderer Stelle schwimmt er wörtlich im Geld, weil man sich den Aufstieg der Ölgesellschaft Jukos zum Weltkonzern in privater Hand eh nicht recht vorstellen kann.

Am meisten vergreift sich Tuschi im Ton, wenn er sich beim Recherchieren in Moskau zeigt, dazu Bilder vom Giftanschlag auf den EX-KGBler Litvinenko im Fernsehen laufen und unser mutiger Dokumentarist sich bedroht fühlt, weil Litvinenko etwas über Chodorkowski wusste. Angeblich.

Die Verhältnisse sind kompliziert. Es gab damals eine eigene Ethik, sagt einer. Man kann über Russen nur einen wahren Film machen, wenn sie mindestens 150 Jahre tot sind, sagt ein anderer. Tuschi solle doch lieber die schöne Landschaft zeigen. Etwas mehr ist schließlich doch herausgekommen. Etwa ganz am Rande, dass einige von Chodorkowskis Mitarbeitern heute noch von Interpol gesucht werden.

Das konnte auch ein Einbruch in Tuschis Produktionsbüro nichts ändern, bei dem kurz vor der Filmpremiere ein paar Computer und eine Kopie des Films wegkamen. Sollte da Putins langer Arm die Finger ...? Quatsch.

Wing

D 2011.: R + B: Cyril Tuschi D: Mikhail, Pavel, Marina, Lena Khodorkovsky, Joschka Fischer, Wladimir Putin