CHE - REVOLUCION

Im Halbschatten

Steven Soderbergh portraitiert die Revolution

Bis in die späten Achtziger hinein hing sein Konterfei in vielen WG-Küchen, und auch heute noch findet sich das rot-schwarz kontrastierte Porträt Ernesto "Che" Guevaras gelegentlich auf T-Shirts oder als daumengroßer Sticker an Hanftaschen. Eigentlich seltsam, dass es vierzig Jahre gedauert hat, bis sich ein Filmemacher der Biografie des argentinischen Freiheitskämpfers annimmt, der in Kuba an der Seite Fidel Castros den Diktator Batista aus dem Land jagte und später beim Revolutionsexport in Bolivien tragisch scheiterte.

Steven Soderbergh ( Traffic ) hat sich nun an die linke Ikone herangewagt und das revolutionäre Wirken Guevarras in einen viereinhalbstündigen Zweiteiler gegossen. Dabei ist Soderbergh ebenso wenig an einem pathetischen Heldengemälde wie an einer posthumen Verleumdung des "Commandante" gelegen.

Trotz seiner beträchtlichen Filmlänge greift Che nicht nach dem epischen Format eines Historiendramas. Soderbergh hält die Kamera auf Augenhöhe, sein Hauptdarsteller Benicio del Toro dimmt sein Leinwandcharisma herunter und übt sich in der Kunst des Understatements.

Der erste Teil beschreibt Guevaras Weg bis zum Sieg der kubanischen Revolution.

Mit 86 Mann machen sich Che und Fidel in einem Boot aus dem mexikanischen Exil auf, um den kubanischen Widerstand zu organisieren. Sehr viel Zeit verbringt der Film mit der Rekrutierung und Agitation der Kampfgefährten, die mit einem Überfall auf eine Militärkaserne das Signal zur Revolution setzen. Intensiv widmet sich Soderbergh, unterbrochen von nachgestellten Interviewpassagen, den Mühen des zermürbenden Kampfalltags. Da bleibt wenig Platz für Revolutionsromantik. Auf der Strecke bleibt aber bei dieser nüchternen Betrachtungsweise auch die Erforschung des Phänomens Che, der als unkorrumpierbarer Revolutionär zur Popikone aufsteigt.

Der Widerspruch zwischen dem ethischen Anspruchs Guevaras, der seine Kämpfer vor dem Waffengang zuerst Lesen und Schreiben lernen lässt, der dafür sorgt, dass die Bauern mit Respekt behandelt und medizinisch versorgt werden, und dem durchaus grausamen Alltag des revolutionären Kampfes wird gezeigt, aber nicht vertieft. Äußerst detailreich werden das Leben und Wirken des Chef-Guerilleros und die Funktionsmechanismen einer Revolution bebildert, was - zumindest im ersten Teil - durchaus interessant ist, aber sich einer Interpretation der historischen Figur strikt verweigert. Am Ende des Films ist die Ikone der Revolution zwar erfolgreich entmythologisiert worden, aber wirklich nahe ist man diesem Che Guevara auch diesmal nicht gekommen.

Martin Schwickert

USA 2008 R: Steven Soderbergh B: Peter Buchman K: Peter Andrews D: Benicio Del Toro, Demián Bichir, Santiago Cabrera