DIE CHAMPIONS Kicker-Kloster
Beobachtungen junger Fußballer Jaja, das ist so aufregend wie es klingt. Der "renommierte Filmemacher und Grimme Preis-Träger" (Presseheft) Christoph Hübner hatte das Glück, dass ihm das jemand bezahlt: die A-Jugend von Borussia Dortmund beobachten, drei Jahre lang. Daraus wurden 130 sehr lange Film-Minuten über die Probleme, Fußball-Profi zu werden. Hauptsächlich vier Jungs hat sich Hübner zur besonderen Verwendung vor die Kamera geholt, alle Ausländer oder Kinder von Ausländern, die im Kicker-Kloster des BVB einquartiert sind, morgens zur Schule gehen und abends trainieren. Und am Wochenende. Weil sie alle Profis werden wollen, vor allem beim BVB (dass Hübner nicht einen von ihnen fragt "Warum eigentlich?" ist ein Defizit dieses Films). Wir sehen, wie die Jungs sich quälen, auf alles verzichten, was Jugend irgendwie ausmacht - und wie manche von ihnen es dennoch nicht schaffen, weil ihnen plötzlich ein Besserer vor die Nase gesetzt wird, weil sie sich verletzen oder weil sie es einfach nicht drauf haben. Dann müssen sie gehen. Das ist traurig, kommt aber auch in anderen Berufen vor. Hübner rückt seinen Probanden mit der Kamera zwar mächtig auf die Pelle, ihnen nahe kommt er trotzdem nicht. Immer wenn die Hintergründe etwas erklären könnten, verweigert sich der Film vornehm und gibt vor, nur zu beobachten. Der optische Reiz von keuchenden, schwitzenden Jungs ist für einen heterosexuellen männlichen Zuschauer begrenzt (für andere Zielgruppen kann ich nicht sprechen). Ob und was die Jungs in der Birne haben, kann man nicht beurteilen, Hübners Fragen sind zu oberflächlich ("In Deutschland ist Fußball Disziplin, Disziplin!" - das kommt jetzt nicht wirklich überraschend), zu oft gefällt er sich in der Position des Voyeurs, der einfach mal gerne in die Duschkabine guckt. Für knapp 7000 ARTE-Zuschauer mag das genügen, ins Kino gehört das eher weniger. Einen Film über Jugendträume von Fußballern zu machen, in dem auch nicht eine einzige Szene vorkommt, die die Faszination "Fußball" erklärt, vom leeren A-Jugend-Stadion bis zur heiligen Profi-Halle der Dortmunder - das ist eine Leistung, die bestimmt bald mit dem nächsten Grimme-Award belohnt werden wird. Der schönste Witz ist Hüber entgangen: die Trainer und Fachleute, die er im Film über die Jungs reden läßt, waren bei Dortmund während jener Katastrophen-Saison, als der Verein beinahe abgestiegen wäre: Bernd Krauss und Michael Skibbe wurden wegen Unfähigkeit verjagt. Gegen Ende des Films taucht Matthias Sammer auf, der neue Trainer. Und das erste, was er macht, ist den hoffnungsvollen Jungspund aus der Mannschaft zu schmeißen. Zwei Jahre später war Dortmund Deutscher Meister. Ohne einen einzigen neuen Jugendspieler aus eigener Zucht. Da hätte man Fragen stellen können. Zu einem Geschäft, dessen Auswirkungen Hübner an seinen Jungs beobachtet, für das er sich aber nicht wirklich interessiert.
Thomas Friedrich
D 1998-2003. R & K: Christoph Hübner. Mit Francis Bugri, Heiko Hesse, Mohammed Abdulai, Claudio Chavarria
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