LÜGEN HABEN LANGE BEINE


Liebe und Kleintiere

Eine Romantic Comedy aus Hollywood. Wenn nur der blöde Titel nicht wäre..

Schauspielerinnen wollen schön sein (nehmen wir Roseanne Barr als die regelbestätigende Ausnahme); der Mut zur Häßlichkeit stellt sich erst bei fortgeschrittener Karriere ein und ist eine verschlüsselte Botschaft an die Academy of Motion Pictures Arts and Sciences, mit der die Schauspielerin ihre Bereitschaft kundtut, jetzt den "Oscar" zu empfangen. Selbst Demi Moore, die ja wahrhaft genug für ihre Schönheit getan hat, würde jetzt eine häßliche Frau spielen - nachdem die ganze Welt weiß, wie schön sie in Wirklichkeit ist.
Lügen haben lange Beine handelt von einer häßlichen Frau, voller Herzenswärme zwar und über alle Maßen klug, aber eben häßlich. Und weil eine Komödie zwar eine häßliche Frau als Heldin haben kann, diese Heldin aber in Wirklichkeit auf keinen Fall häßlich sein darf, denkt diese Heldin nur, daß sie häßlich ist. In Wirklichkeit ist Abby wirklich niedlich, vielleicht etwas klein geraten, aber das macht sie durch Ausstrahlung wieder wett. Allein: Sie traut ihrer Ausstrahlung nicht. Und weil sie ihr Geld als Moderatorin einer Radiosendung verdient, könnte sie auch schielen und rückwärtslaufen: es kommt nicht darauf an.
Abby ist gelernte Tierärztin, und ihre Sendung heißt "The Truth About Cats And Dogs" (so auch der schöne Originaltitel des Films). Abby gibt im Radio Ratschläge: Was man tun kann, wenn der Kanarienvogel depressiv ist, warum Hunde vorsätzlich in die Betten und Schuhe ihrer Frauchen urinieren und was es noch so alles für Unwägbarkeiten im Zusammenleben von Menschen, Hunden, Katzen und all dem andere Hausgetier gibt. Eines Tages ruft ein Fotograf an, der ein Problem mit einem geliehenen Hund namens Hank hat, den er für Werbezwecke auf Rollschuhen befestigt hat. Dem Manne kann geholfen werden, ein bißchen Hundepsychologie, und schon steht Hank wieder auf vier soliden Pfoten und der Fotograf hat einen Freund fürs Leben. Der Fotograf - Brian - ist begeistert und will Abby persönlich danken. Er bittet um ein Rendezvous, und weil Abby Brian auch ganz sympathisch findet, ist sie aufgeregt und hat eine schlechte Idee (gute Filme leben oft von den schlechten Ideen ihrer Helden): Sie beschreibt sich als groß und blond - dabei ist sie weniger groß und eher brünett. Abbys Beschreibung ist inspiriert vom Aussehen ihrer Nachbarin und Freundin Noelle, einem Fotomodell, was eigentlich egal ist, weil Abby das Rendezvous eh nicht wahrnimmt. Aber Brian kommt am nächsten Tag ins Studio, Noelle ist zufällig zu Besuch, und die Verwicklung nimmt ihren Lauf. Brian findet Noelle großartig, so schön und gleichzeitig so klug, auch Noelle ist angetan, aber Abby hat sich über beide Ohren verknallt, wird immer aufgeregter und auch ein bißchen panisch, weil sie erstens sicher ist, daß Brian sie potthäßlich findet, und zweitens vermutet, daß sie gegen die langbeinige Blondine keinesfalls anstinken kann. Und Brian ist auch ein bißchen verwirrt: immer, wenn er mit der vermeintlichen Abby zusammen ist, scheint sie sehr zerstreut und auch ein bißchen blöd zu sein, am Telefon ist sie jedoch blitzgescheit, sehr witzig und was noch dazugehört. So blöd ist Noelle zwar nicht, aber ihre Möglichkeiten sind im Vergleich zu Abbys eben... limitiert.
Nicht eben ein brandneuer Plot, aber was ist schon brandneu im zeitgenössischen Unterhaltungskino? Wichtig ist - wie immer -, wie's gemacht ist, und hier hat die tierliebe Menage à trois die Lacher auf ihrer Seite. Sehr schön beobachtete Konventionen zwischen Männern, Frauen, Katzen und Hunden, fein ausgespielte Dialoge, und dazu eine sehr nette, romantische Stimmung. Lügen haben lange Beine ist keine Schenkelklopfer-Komödie, ein bißchen stiller und feiner, getaucht in sanftes Licht und gelegentlich nachgerade sophisticated. Wie aus dem Leben gegriffen, aber eben nur wie, denn wer käme im wirklichen Leben darauf, jemand anderen für sich auszugeben?
Uma Thurmann nehmen wir das Model Noelle sofort ab, Ben Chaplin als Brian ist so nett wie unauffällig, aber Janeane Garofalo als Abby ist wirklich eine Entdeckung. Putzmunter und blitzgescheit, flanellhemdsexy und so frisch und natürlich, wie es eine Radioveterinärin nur sein kann.
Zum Schluß ein Wort an die 20th Century Fox: Gute Idee, den Kurzfilm Ein kurzer beschissener Abend von Tim Trageser regulär im Vorprogramm zu zeigen. Weiter so! Aber hört bitte auf, im Wettbewerb um die hirnlosesten deutschen Verleihtitel mitzumachen. Dabei kann man nur verlieren.

Jens Steinbrenner