CATCH ME IF YOU CAN Nach Hause
Ein Hochstapler sucht das Glück Steven Spielberg ist immer für eine Überraschung gut. Von Der weiße Hai bis Jurassic Park avancierte er zum ungekrönten König der Unterhaltungsindustrie. Von Schindlers Liste bis zu seinem letzten Film Minority Report verteidigte er das Kino als moralische Anstalt. Trotz der enormen filmischem Spannbreite hätte man ihm eine derart leichtherzige Gaunerkomödie wie Catch Me If You Can nicht zugetraut. Der Film beruht auf einer wahren Geschichte, wie sie sich die Drehbuchautoren Hollywoods nicht besser hätten ausdenken können. Im zarten Alter von 16 Jahren begann Frank W. Abagnale nach der Scheidung seiner Eltern eine Karriere als Hochstapler und Scheckbetrüger und schaffte es Anfang der 60er in kürzester Zeit ganz nach oben auf die Fahndungslisten des FBI. Nach langjähriger Leinwandabstinenz spielt Leonardo DiCaprio den Gentleman-Ganoven mit jungenhaftem Charme und Tom Hanks dessen griesgrämigen Verfolger. In schicker Flugkapitänsuniform ergaunert sich Abagnale mit gefälschten Schecks ein Millionenvermögen. Später schlüpft der schlagfertige Betrüger in die Rolle des Mediziners und bringt es in der Provinz fast bis zum Staatsanwalt. Die 60er Jahre waren ein gutgläubiges Jahrzehnt. Schillernde Uniformen und gebleichte Ärztekittel flößten den Menschen noch Respekt ein, und die Verbrechensbekämpfer mussten ohne Computer und Rasterfahndung auskommen. Spielberg zeichnet die Sixties in klaren bonbonfarbenen Bildern als Zeit der Unschuld, in der Kriminelle und Verfolger einen respektvollen Umgang miteinander pflegten. Abagnale und sein Verfolger Hanratty sind nicht nur wie Katz und Maus, sondern auch ein wenig wie Vater und Sohn. An Weihnachten wird der junge Lebemann sentimental und ruft den FBI-Agenten in seinem Büro an, weil Hanratty der einzige Mensch ist, der sein wahres Wesen kennt. Catch Me If You Can wurde für Spielbergsche Verhältnisse mit einem kleinen Budget und in kürzester Zeit gedreht. Nach technikstrotzenden Mammutprojekten wie Minority Report und A.I. wirkt dieser Film mit seinem Easy Listening-Soundtrack wie eine Fingerübung. Noch nie kam ein Spielbergfilm so luftig-leicht und mit so wenig moralischem Ballast daher. Aber Spielberg wäre nicht Spielberg, wenn sich die Räuberpistole nicht doch ins Familienkino flüchten würde. Wenn Abagnale aus dem Gefängnis flieht, nur um in weihnachtlich verschneiter Nacht noch einen versöhnenden Blick durch das Fenster auf seine Mutter zu werfen, dann steht er in einer Reihe mit den vereinsamten Helden des Spielberg-Universums, die eigentlich nur eins wollen: nach Hause.
Martin Schwickert
USA 2002 R: Steven Spielberg B: Jeff Nathanson nach dem Buch von Frank W. Abagnale Jr. and Stan Redding K: Janusz Kaminski D: Leonardo DiCaprio, Tom Hanks, Christopher Walken
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