CARAMEL

Fünf Frauen

Im Libanon tut Liebe genauso weh wie überall sonst

Wer an Beirut denkt, denkt an Bürgerkrieg, Hisbollah und Bombardements. Zumindest im Westen. Dass es in der libanesischen Hauptstadt auch ein Leben jenseits des Ausnahmezustands gibt, zeigt Nadine Labaki in ihrem Regiedebüt Caramel . Fast schon programmatisch hat Labaki alle Spuren des Krieges aus ihrem Film verbannt. Allenfalls die lädierte Neonschrift über dem Eingang des Schönheitssalons, den Labaki zum Epizentrum ihrer mehrsträngigen Geschichte macht, erinnert an die zerstörerische Vergangenheit.

Fünf Frauen mit ihren Lebenssehnsüchten und Liebesnöten verbindet Labaki in ihrem Großstadtreigen. Im Zentrum steht die Betreiberin des Schönheitssalons Layale (gespielt von der Regisseurin), die sich in eine Affäre mit einem verheirateten Mann verrannt hat, der sie unregelmäßig per Autohupe und Telefonanruf als Geliebte in Gebrauch nimmt.

Ihre Kollegin Nisrine steckt in Hochzeitsvorbereitungen, weiß aber noch nicht, wie sie ihrem Bräutigam beibringen soll, dass er nachweislich nicht der erste Mann in ihrem Leben ist. Die ehemalige Schauspielerin Jamale versteckt ihr Alter hinter zentimeterdickem Make-Up, während sich die Friseurin Rima zu einer geheimnisvollen Kundin hingezogen fühlt.

Die Schneiderin Rose lebt auf der anderen Straßenseite mit ihrer debilen Mutter zusammen und hat ein Auge auf einen französischen Herren geworfen, der seine Hose gleich zweimal bei ihr kürzen lässt.

Fünf Frauen, die sich selbstbewusst durchs Leben bewegen und so gar nicht den westlichen Klischees von nahöstlicher Weiblichkeit entsprechen: Labaki zeigt Heldinnen des Alltags, begehrenswerte Schönheiten und tapfere Ritterinnen der Liebe.

Nur in Seitenblicken wird die Spannung zwischen Tradition und Moderne eingefangen. Der Soldat, der ein nächtlichen Gespräch zwischen Nisrine und ihrem Verlobten im Auto als sittenwidriges Vergehen ahndet. Oder die herzerweichende Szene, in der die Mutter ihre Tochter am Abend vor der Hochzeit in die Geheimnisse der körperlichen Liebe einweisen will, mit der die Tochter doch schon längst Erfahrungen gemacht hat.

Und warum heißt der Film nun Caramel ? Das zähklebrige Zuckerprodukt wird in Beirut nicht nur als Süßigkeit geschätzt, sondern im Schönheitssalon auch als Mittel zur Enthaarung benutzt. Lust und Schmerz liegen auch hier ganz dicht beieinander.

Martin Schwickert

Sukkar banat F/LEB 2007. R: Nadine Labaki. B: Rodney El Haddad, Jihad Hojeily, Nadine Labaki. K: Yves Sehnaoui. D: Nadine Labaki, Yasmine Elmasri, Joanne Moukarzel