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Blonde Engel

Satan hat schon wieder Nachwuchs

Ist es nicht schön, wenn ein Film Dich an die Hand nimmt und Dir seine Welt zeigt, mit unverdorbenem Blick wie ein kleines Kind? Sicher. Eine hübsche, naive und selbstverständlich blonde Frau heiratet einen charmanten und faszinierenden Mann, den sie kaum kennt. Wenn sie dann, unter sanftem Zwang und seltsamen Visionen, ihre Hochzeitsnacht an einem unheimlichen, felsenumschlossenen Ort mitten in einem dunklen Wald und bei Vollmond verbringt, liegt die Vermutung wohl nicht ganz fern, dass das Kind der beiden nicht das blonde Engelchen sein kann, das es scheint. Später, wenn die blonde Frau die Wahrheit zu ahnen beginnt und von der passiven in die aktive Rolle wechselt, wird sie sich selbstverständlich die Haare kurz schneiden lassen. Dieser Film schafft es, mit ernster Grabesmiene so zu tun, als hätte es Rosemary's Baby und all die anderen Kinder-des-Satans-Filme nie gegeben. Die Überfrachtung mit umgedrehten Kreuzen, flackernden Kerzen und schwarzen Raben macht das Ganze auch nicht subtiler oder interessanter. Die Versatzstücke aus hundert Vorgängerfilmen werden mit einer Begeisterung zusammengefügt, als seien sie gerade ganz frisch vom Himmel gefallen. Und wer nicht unter dem Gewicht der religiösen und okkulten Symbole zusammengebrochen ist, dem wird alles dann noch mal ausführlich von einer quiekigen Fernsehkommentatorin erklärt. Auch die Kamera versackt in schnörkeligen, barock anmutenden Bildern und scheitert trotz aller Detailaufnahmen und Parallelmontagen bei dem Versuch, das allzu Offensichtliche zu verschleiern. Eigentlich ist es nicht mal das ärgerlichste, von diesem Film für dumm gehalten zu werden; schlimmer ist ein elementarer Verstoß gegen das erste Gebot im Dekalog des Horrorfilms: Du sollst dich gruseln.

Manuela Brunner

USA 2000. R: Richard Caesar. B: John Rice, Rudy Gaines. K: Joachim Berc. D: Laura Harris, Richard Lintern, 91'