Brüno

Der größte Österreicher seit Hitler

Sacha Baron Cohen will endlich in Hollywood Karriere machen. Und schickt seinen schwulen Designer als »Brüno« ins Celebrity-Getümmel

Nachdem der britische Komiker Sacha Baron Cohen in Borat den latenten und offenen Rassismus des politisch-korrekten Amerikas herauskitzelte, schickt er nun den stockschwulen Modejournalisten "Brüno" ins Rennen, um homophobe Vorurteilsstrukturen zu entlarven.

Brüno ist ein Mann mit einem gesunden schwulen Selbstbewusstsein, der seine Homosexualität mit markant-tuntigen Auftreten offensiv nach Außen trägt.

Als sein Modemagazin im österreichischen Jugendfernsehen nach einem desaströsen Auftritt bei der Mailänder Modewoche abgesetzt wird, beschließt Brüno nach Hollywood zu gehen, um dort zum "größten österreichischen Superstar seit Hitler" aufzusteigen.

Aber der Weg zum Ruhm ist steinig in Los Angeles. Der Versuch über eine "Celebrity"-Show selbst berühmt zu werden, scheitert, auch wenn es dem Moderator gelingt, Paula Abdul auf dem Rücken eines nackten mexikanischen Gartenarbeiters sitzend zu interviewen. Beim Vorführtermin für die Pilotsendung drehen sich die TV-Bosse angewidert weg, als Brüno Großaufnahmen seines schlenkernden Geschlechts als radikale Fernsehkost verkaufen will.

Mit brachialer Komik platziert Cohen in der ersten halben Kinostunde zahlreiche genital-anale Exkurse und verzerrt somit homophobe Sexualphantasien und Penetrationsängste genüsslich ins Absurde.

Damit bleibt er seinem bewährten Provokationskonzept treu, Vorurteile zunächst zu bedienen, um sie dann durch Übersteigerung zu entlarven. Nach weiteren scheiternden Versuchen, Berühmtheit zu erlangen, zu denen auch die Adoption eines afrikanischen Babys à la Madonna gehört, erkennt Brüno, dass man in Hollywood als Schwuler wenig Erfolgsaussichten hat und beschließt, sich zum Heterosexuellen umschulen zu lassen.

Die Gespräche mit einem Priester, der sich auf die "Heilung" von Homosexualität spezialisiert hat, der Versuch Brünos, bei einer Swinger-Party und einem Jagdsausflug mit unrasierten Kerlen der eigenen schwulen Identität zu entfliehen, gehören zu den komischen Höhepunkten dieser fiktiven Dokumentation.

Neben der Homophobie nimmt Brüno auch den amerikanischen Celebrity-Wahn ins Visier. Als Casting-Agent getarnt, bringt Brüno Mütter, die ihre Kleinkinder in einer TV-Show unterbringen wollen, zu grotesken, vertraglichen Zugeständnissen, in denen etwa die Erlaubnis erteilt wird, das Kind symbolisch kreuzigen zu lassen.

Beide Linien treffen sich in einem Finale, in dem Brüno - erfolgreich zur Heterosexualität bekehrt - eine antischwule Macho-Fernsehshow in Szene setzt und vor dem entsetzten Publikum in Arkansas eine wilde Knutscherei mit seinem Freund beginnt.

Sicherlich erweist sich Cohen erneut als mutiger "agent provocateur", der mit seiner hypertuntigen und weitaus weniger konsensfähigen Hauptfigur nicht davor zurückschreckt, die "Borat"-Fangemeinde vor eine harte Loyalitätsprobe zu stellen.

Aber im Gegensatz zu Borat , der ein vermeintlich anarchistisches Erzählprinzip zur Schau stellte, wirkt Brüno in seinem dramaturgischen Ablaufplan weitaus konstruierter, wiederholt allzu offensichtlich bewährte Rezepturen aus dem Vorgängerfilm und verliert in einigen Sequenzen deutlich an Glaubwürdigkeit.

Martin Schwickert

USA 2008 R: Larry Charles B: Sacha Baron Cohen, Anthony Hines, Dan Mazer, Jeff Schaffer K: Anthony Hardwick, Wolfgang Held D: Sacha Baron Cohen, Gustaf Hammarsten, Clifford Bañagale