BROTHER

In aller Ruhe

Takeshi Kitano in L.A.

Wenn man die Zutaten zu lange befingert, nehmen sie den Geruch der Hände an, sagt Takeshi Kitano und begründet seinen minimalistischen Stil mit den Grundregeln japanischer Kochkunst. Wie in der Sushi-Bar, so bekommt man auch in einem Kitano-Film wenig auf den Teller. Seine Helden sind schweigsam, die Geschichten ohne erkennbaren Spannungsbogen. Die Kamera verharrt oft minutenlang in der gleichen Einstellung. Von Violent Cop über Hana-bi bis zu Kikujiros Sommer haben seine Filme dem Kino eine rigide Entschlackungskur verordnet. Kitano ist das Gegengift zu Hongkong und Hollywood. Genau dahin - nach L.A. - schickt er nun in seinem neuen Film Brother den Gangster Yamamoto, den er, wie all seine Hauptfiguren, selbst spielt. Yamamoto ist ein Yakuza der alten Schule - ein Samurai des organisierten Verbrechens, für den Loyalität, Unterordnung und Selbstaufopferung zum Ehrenkodex gehören. Nach der Ermordung seines Chefs fusionieren die verfeindeten Clans, und im neuen Pakt wird der halsstarrige Yamamoto zum verfolgten Außenseiter. Er setzt sich zu seinem jüngeren Bruder in die USA ab. Ken (Claude Maki) schlägt sich hier mit dem Afro-Amerikaner Denny (Omar Epps) als Drogendealer durch. Innerhalb kürzester Zeit hat der große Bruder die Mafia-Szene von L.A. aufgemischt und mit seinen rabiaten Yakuza-Methoden sein eigenes Imperium errichtet. Für die jungen Gangster wird Yamamoto zum Idol. Zusammen mit dem machthungrigen Paten Shirase (Masaya Kato) zetteln sie allerdings einen Krieg an, den auch der härteste Samurai nicht mehr gewinnen kann.
So ungerührt wie Kitanos Gesichtsausdruck bleibt auch der niedrige Pulsschlag des Films. Die Gewaltausbrüche sind kurz und hässlich. Die Magazine entladen sich blutreich in die Körper der Gegner und Essstäbchen werden wieder einmal zu unschönen Mordwaffen. Als Zeichen der Treue schneidet sich so ein Yakuza auch schon einmal einen Finger ab oder den eigenen Bauch auf. Kitano wirft die Gewaltexzesse ohne Beschönigung in seine kühlen Plansequenzen. Mit Yamamoto schickt er die Philosophie der Samurai-Krieger auf Bewährungsprobe in die Neue Welt. Die US-Gangster beißen sich mit ihren coolen Hip-Hop-Phrasen an dem schweigsamen japanischen Bruder regelrecht die Zähne aus.
In seiner ersten amerikanischen Ko-Produktion hat Kitano die offene Struktur seiner früheren Werke zugunsten einer ordentlichen Geschichte mit Anfang, Mitte und Schluss aufgegeben. Die Anpassung an Erzählkonventionen ist allerdings nur äußerlich. Dahinter verbirgt sich eine kühle filmische Meditation, die ohne den lästigen Geruch der Hände moralisch belastete Größen wie Freundschaft, Treue und Tod mit scharfer Klinge tranchiert.

Martin Schwickert

J/USA 2000 R&B: Takeshi Kitano K: Katsumi Yanagishima D: Takeshi Beat Kitano, Omar Epps, Masaya Kato, 112'