DIE BOURNE IDENTITÄT

Held im Strickpullover

Franka Potente erdet einen Agententhriller


Das Interview zum Film mit Matt Damon

Der Mann, der zuviel wusste und sich an nichts mehr erinnern kann, steht im Zentrum von Doug Limans klugen Spionagethriller. Halbtot wird Jason Bourne (Matt Damon) von der Besatzung eines Fischerbootes aus dem Mittelmeer gezogen. Im Rücken zwei Projektile und ein schickes Laserimplantat, das die Bankverbindung eines Schweizer Nummernkontos an die Wand projiziert.
Bourne kann sich an nichts mehr erinnern, nicht einmal an seinen Namen. Eine Reise nach Zürich verschärft die Identitätskrise nur noch: Im Bankdepot findet er gleich dutzendweise Pässe mit seinem Foto - auf verschiedene Namen ausgestellt und aus aller Herren Länder. Die berechtigte Frage "Wer bin ich?" wird für ihn schon bald zur Überlebensfrage. Denn was Bourne nicht weiß: Er gehört zu einem Netzwerk von Spezialagenten der CIA und sollte einen afrikanischen Diktator spurlos entsorgen. Der Versuch misslang und droht nun zu einem internationalen Skandal hochzukochen. Die unzufriedenen Arbeitgeber wollen den außer Kontrolle geratenen Agenten aus dem Weg räumen.
Bourne ist auf der Flucht und er weiß nicht vor wem. Praktischerweise funktionieren trotz Amnesie noch alle Agentenreflexe: Nahkampf, Fassadenklettern, Autoverfolgungsjagden und umfangreiche Fremdsprachenkenntnisse gehören wie selbstverständlich zum persönlichen Repertoire. Bourne ist ein Held wider Willen, der immer wieder neben sich und seinen befremdlichen Fähigkeiten steht. Zur Komplizin wider Willen wird Marie (Franka Potente), die den abtrünnigen CIA-Killer mit ihrem Mini Cooper nach Paris fährt und damit selbst auf die internationalen Fahndungslisten gerät.
Franka Potente ( Lola rennt ) macht nach Blow auch in ihrem zweiten Hollywoodfilm eine gute Figur. An der Seite von Matt Damon verkommt ihre Marie nicht zum dekorativen Agentenliebchen, vielmehr behauptet sie sich mit bodenständiger Ausstrahlung als relativierendes Moment, das den Spionage-Hokuspokus immer wieder erdet.
Die Bourne Identität ist ein Agententhriller, der sich trotz spektakulärer Actionszenen um Verwurzelung in der Realität bemüht. Bourne, den Matt Damon mit seinem jungenhaftem Charme sympathisch konterkariert, ist kein wildgewordener Ballermann. Er setzt seine Kräfte mit genauem Kalkül ein - ein Agent im Strickpullover, der vor einer Autoverfolgungsjagd durch die engen Straßen von Paris erst einmal einen Blick auf den Stadtplan wirft. Variantenreich bürstet Liman die abgedroschenen Actionklischees gegen den Strich, ohne die Genregesetze zu verraten, und wenn, dann nur in kleinen Details, und genau die machen diesen Film sehenswert. Mit deutlich mehr Humor hätte man allerdings die Figur des Agenten ohne Gedächtnis in Szene setzen können - aber dafür nimmt sich wahrscheinlich auch dieser etwas andere Actionfilm noch ein wenig zu ernst.

Martin Schwickert

The Bourne Identity USA 2002 R: Doug Liman B: Tony Gilroy, William Blake Herron nach einem Roman von Robert Ludlum K: Oliver Wood D: Matt Damon, Franka Potente, Chris Cooper