Borgman

Teufels Gärtner

Alex van Warmerdam zerlegt die niederländische Bourgeoisie

In den ersten Minuten zeigt sich die Gesellschaft stumm und wehrhaft. Ein Priester, ein Schmied und ein Bauer greifen zu Flinte, Spieß und Prügel und jagen das Monster im Wald, als wären wir am Ende von Frankenstein. Es ist aber nur ein Landstreicher, versteckt in einem Erdloch, ausgezehrt, jedoch mit Handy. Schon geraten die Perspektiven ins Rutschen. Geht es gegen Volkes Zorn, das mit entschlossener Miene wortlos auf alles schießt, was es untergräbt? Ist der Penner ein Partisan des Unangepaßten?

Jedenfalls ist er gut organisiert. Schnell weckt er weitere Verbuddelte aus ihren Verstecken (darunter den Regisseur), geschickt verschwinden die Gestalten in der nahen Stadt. Und Camille Borgman sucht einen neuen Unterschlupf. Viele schlagen dem Herbergsuchenden die Tür vor der ungewaschenen Nase zu, ein Familienvater schlägt ihn brutal zusammen, zum Missfallen seiner Frau.

Folglich versorgt sie heimlich das Opfer, quartiert es in der Garage ein und öffnet dem Untergang ihre Badewanne und ihr Herz. Denn längst hat sich der Home Invasion-Thriller in eine vielschichtige Parabel verwandelt. Als hätte Louis Buñuel Zoff in Beverly Hills noch mal verfilmt.

Borgman entfaltet einen geisterhaften Einfluss auf das traute Heim, ermordet den Gärtner, um an dessen Stelle zu treten, er ruft seine Kumpane zu Hilfe, er macht sich an die Kinder heran und er hat ganz offenbar irgendetwas ganz Fürchterliches vor. Oder gräbt er einfach nur den Garten um, sät Zwietracht zwischen Mann und Frau und zerreißt ebenso symbolisch wie realistisch die dünne Teichfolie unter dem aufgeräumten bürgerlichen Glück?

Es gibt kauzige Morde am Rande, poetische Wasserleichen, rätselhafte Andeutungen von Übernatürlichkeit und böse Auslassungen. Mehrmals rollt Borgman ein Operationsbesteck aus, zückt ein Messer, aber die Tat bleibt aus. Musik übrigens auch. Alex van Warmerdam nutzt virtuos Horror-Standards und expressionistische Formeln, aber immer halbiert. Nur Bruder Vincent darf ein paar Töne in die verstörende Ruhe komponieren.

Trotzdem können Bildungsbürger an Paul Hindemiths stofflich ähnliche Oper "Mörder, Hoffnung der Frauen" nach einem Stück von Oskar Kokoschka denken. Beide waren vor 100 Jahren ein Skandal. Heute nehmen wir als kinotypisch hin, dass Hausfrau und Au pair-Mädchen den Gärtnern des Teufels verfallen und erlauben es, dass die Düsternis, die sich in Nachbars Eigenheim ballt, am Ende etwas ziellos in den umliegenden Wäldern versickert.

Wing

N/B/DÄN 2013. R + B: Alex van Warmerdam K: Tom Erisman D: Jan Bijvoet, Hadewych Minis, Jeroen Perceval, Alex van Warmerdam. 113 Min.