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Ohne Spielzeug

Statt Eleganz gesunde Härte: Der neue Bond langt hin

Gleich zu Beginn wird klar gemacht, dass mit Daniel Craig als neuem Bond andere Saiten aufgezogen werden. Wie ein Berserker wütet Bond in einer schäbigen Herrentoilette, schlägt und würgt sein Opfer, schleudert es durch die Gegend und ertränkt es schließlich im Waschbecken. Die Hände sind blutig, das Hemd vom Schweiß durchnässt, und damit sind die Maßstäbe für den neuen Bond gesetzt. Anders als sein manisch eleganter Vorgänger Pierce Brosnan bringt der neue Bond die ganze Kraft seines muskulösen Körpers ein, ohne auf die Unversehrtheit der maßgeschneiderten Dienstkleidung bedacht zu sein. Ganz im Trend der Zeit führt Martin Campbell, der schon mit Golden Eye Pierce Brosnans Bond-Debüt inszenierte, den Amtsnachfolger in einem Prequel ein.
Die beiden Morde zu Beginn sind als Qualifizierungsoffensive zu verstehen, mit der der aufstrebende Geheimagent seinen Doppel-Null-Status erwirbt. Sein erster regulärer Auftrag führt ihn nach Afrika, wo er einen Bombenleger in Gewahrsam nehmen soll. Die daraus resultierende Verfolgungsjagd setzt ebenfalls voll und ganz auf die physischen Kräfte des Helden. Autos, Hubschrauber und High-Tech-Equipment bleiben zu Hause. Durch einen dicht bevölkerten Markt und über eine Großbaustelle, über Gerüste, Gruben und Kräne hinweg rennt Bond dem Bösewicht hinterher.
Die atemberaubende Verfolgungsjagd, die sich mit ihrer artistischen Choreografie mit dem asiatischen Kampfkunstkino messen kann, endet in einem diplomatischen Desaster. Denn die Videobilder des Geheimagenten, der auf dem Botschaftsgelände einen vermeintlichen Bombenleger niederstreckt, sind am nächsten Tag in allen Zeitungen zu sehen. Dienstherrin M (Judie Dench) ist definitiv not amused und stellt schon nach dem ersten Auftrag eine Degradierung in Aussicht.
Aber der Novize bekommt seine zweite Chance, dem Bankier Le Chiffre (Mads Mikkelsen), der das Geld verschiedener internationaler Terrornetzwerke verwaltet, das Handwerk zu legen. In einem Nobel-Casino in Montenegro soll Bond dem Geldwäscher sein Vermögen am Pokertisch abjagen. Die Angestellte des Finanzministeriums Vesper Lynd (Eva Green) wird ihm zur Seite gestellt, um den Einsatz der Steuergelder zu überwachen.
Anders als ihre Vorgängerinnen im Amt des Bond-Girls ist die attraktive Fiskusbeauftragte mehr als nur Kampf- und Bettgefährtin. Vesper wird dem Top-Spion das Herz kräftig zerwühlen, ihm aufrichtige Liebesgeständnisse entlocken und ihn sogar eine berufliche Umorientierung in Erwägung ziehen lassen.
Bond als Romeo? Die Melodramatik wirkt in dieser erfolgreichsten Männerfantasie der Filmgeschichte zunächst etwas ungewohnt. Aber eigentlich tut es der Figur ganz gut, aus den Stereotypen auszubrechen, und Daniel Craig meistert die Aufgabe, der härteste und der verletzbarste Bond zu sein, hervorragend.
Auch wenn der frischgebackene 007-Agent hart auf die Probe gestellt wird, bleibt die Selbstironie, die die Serie gegenüber ihren eigenen Ritualen entwickelt hat, erhalten: Als Bond vom Spieltisch nach einem Millionenverlust frustriert an der Bar einen Wodka-Martini bestellt, fragt der Kellner "Gerührt oder geschüttelt?" Und der genervte Geheimagent keift zurück: "Sehe ich aus, als würde mich das interessieren?"

Martin Schwickert

GB/USA/Tschechien 2006 R: Martin Campbell B: Neal Purvis, Robert Wade, Paul Haggis K: Phil Méheux D: Daniel Craig, Eva Green, Mads Mikkelsen