BLUE VALENTINE Der lange Abschied Ein schöner, schwieriger Film über Anfang und Ende Cindy und Dean haben ein paar Jahre Leben hinter sich, eine Tochter zwischen sich und einen toten Hund. Außerdem platzen lange Rückblenden als offensichtlich gefärbte Erinnerungen in das letzte, komplizierte Wochenende des Paares, an dem langsam alles auseinanderfällt. Ebenso kunstvoll wie unaufdringlich faltet Regisseur Derek Cianfrance die Beziehung von Cindy und Dean entlang einiger Motive und vor allem immer wieder über die Zeitachse zu einem Vexierspiegel zusammen. Und entfaltet sie dabei. In der Gegenwart streiten sich die beiden aus nichtigem Anlass im ermüdenden Alltag - in der Vergangenheit lernen sie sich kennen und flüchten aus unbefriedigenden Vorgeschichten zueinander. In der Gegenwart flüchten sie in den "Future"-Room eines Themenhotels, der mit Enterprise-Interieur so tut, als gäbe es eine Zukunft - in der Vergangenheit kreuzen sich ihr Wege zufällig in einem Altersheim. So spiegeln sich auch andere Szenen ineinander, ohne mit ihren Sinnbildern störend um sich zu werfen. Ryan Gosling und Michelle Williams bewegen Dean und Cindy wunderbar nichtsmehrsagend durch das Ende und vielversprechend durch den Anfang ihrer Beziehung. Es gibt keine große Krise, nicht die überdrehten Beichten des normalen Trennungsfilms, und es gab nie den naiven Kitsch der ersten Verliebtheit. Aber herzerwärmende Szenen des Kennenlernens und bittere schwarze Witze zur Selbständigkeitsbehauptung. Und es gibt Sexszenen, über die Jahre hinweg so zusammengeschnitten, dass es keinen Dialog braucht, um zu erzählen, was dazwischen geschah. Während Cindy in Beruf und Leben stets weiter strebt, Pläne hat, Potentiale entwickeln will, ist Dean immerzu zufrieden, anfangs als Umzugshelfer, später als verspielter Vater und Anstreicher. Er übertüncht alte Häuser und ist glücklich damit, einen Job zu haben, in dem man schon vormittags ein Bier trinken kann. Während Cindy es von der Medizinstudentin nur zur Krankenschwester bringt, scheitert Deans Gemütlichkeitsentwurf schon früh: Er hat einen Greis ins Altersheim umgezogen und sein Zimmer liebevoll eingerichtet. Beim nächsten Besuch ist der Alte schon tot. Allerdings besucht Cindy gerade ihre Großmutter nebenan. Ein bisschen quälend arbeitet sich das Paar in der Gegenwart aneinander ab, erträgt sich mit Mühe und geht an Grenzen. Fast würde Cindy sich um der lieben Erinnerungen willen vergewaltigen lassen, fast ekelt Dean sich vor sich selbst, weil er doch Liebe nicht nehmen sondern geben wollte. "Männer sind romantischer als Frauen" spricht Dean einmal allen missglückten Liebhabern aus dem Herzen, weil Männer die Liebe ihres Lebens heiraten wollen, während Frauen vom Märchenprinzen träumen und dann den Mann nehmen, der den guten Job hat. Ganz so knackig darf Cindy ihren Liebesentwurf nicht formulieren, dafür hat sie Familienrückblenden, aus denen jeder in eine produktive Partnerschaft würde fliehen wollen. Vermutlich ist es gut, dass Derek Cianfrance, immerhin nach 11 Jahren Entwicklungszeit seines Projekts, Dean und Cindy im Skript unterschiedlich behandelt. Sonst hätte womöglich die Konstruktion Überhand genommen, die jetzt nahezu organisch in einer Parallelmontage von Hochzeit und Trennung zum Feuerwerk am traditionellen Unabhängigkeitstag mündet. Wing USA 2010. R: Derek Cianfrance B: Derek Cianfrance, Cami Delavigne, Joey Curtis K: Andrij Parekh D: Michelle Williams, Ryan Gosling
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