Birdman

Haschen nach Wind

Michael Keaton trauert vergangenem Ruhm nach

Der Film handelt von einem Schauspieler, der einst als Superheld Leinwanderfolge feierte und jetzt in einer Off-Broadway-Produktion beweisen will, was er drauf hat. Geschrieben und gedreht hat das Alejandro González Iñárritu, der vor 14 Jahren mit Amores Perros ein kräftiges Kinodebüt hinlegte, dem er seither hinterher hechelt. Die Angst des Stars in Birdman ist offenkundig auch die seines Regisseurs.

Der macht sicherheitshalber schon mit den Opening Credits klar, dass wir hier anstrengendes Ambitionskino geboten bekommen, eine Art Film, wo es nicht um Unterhaltung geht, sondern wo der Zuschauer mitarbeiten muss (Birdman erhielt Kritikerpreise bis zum Abwinken, nur das Publikum blieb leider weg).

Über weite Strecken sieht Birdman aus, als wolle Gonzales Iñárritu das Polit-Kino der 70er neu erfinden (die endlos langen Kamerafahrten über die Schulter des Protagonisten hinweg hat schon Costa Gavras benutzt), meistens jedoch wirkt es, als wolle Hanns Dieter Hüsch eine Parodie auf Jena-Luc Godard visualisieren. Man quiekt vor Vergnügen, aber gegen die Absicht des Regisseurs, der schwer an sich und der Welt und seinem Drehbuch trägt.

Riggan Thomson war einst "Birdman", der erste Comic-Held im Kino, und als der nach dem dritten Teil ausstieg, war Thomsons Karriere beendet. Zu den vielen irrsinnigen Ideen dieses Films gehört jene, dass "Birdman" mit verstellter Stimme aus dem Off auf Riggan Thomson einredet. Denn Thomson hat offenkundig einen Hau und hält sich für "Birdman".

Das stört bei den Theaterproben weniger. Thomson hat aus mehreren Kurzgeschichten des genialen Säufers Raymond Carver ein Stück gemacht: "Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden". Da bei den Proben ein Scheinwerfer auf den zweiten Hauptdarsteller donnert, muss der ersetzt werden, und mit Mike Shiner (Edward Norton) betritt die Schablone aller Klischees für eitle, alt gewordene Jungdarsteller die Szene, besteht darauf, auf der Bühne echten Gin zu trinken, besorgt sich auf Produktionskosten eine Sonnenbank für die richtige Hauttönung und führt sich überhaupt auf, als würde der alte Brandon den jungen Stan Kowalski spielen.

Zwischendurch sagen übrigens alle bedeutende Sätze (manche davon sind von Carver), und es wird nicht ganz klar, ob das schlechte Theater im Film absichtlich schlechtes Theater ist, und wenn ja: ist der schlechte Film dann auch absichtlich schlecht? Parodiert Gonzales Iñárritu das karge Agit Prop-Kino der 60er und 70er, wenn er als Musik immer wieder nur ein Schlagzeug einsetzt (und der Drummer plötzlich mitten in der Szene sitzt), oder meint er das wirklich ernst? Häuft er die Probleme - Geldsorgen, Eheknatsch, rauschgiftsüchtige Tochter, schwangere Freundin - aufeinander, um sich lustig über derlei Dramen zu machen, oder meint er das so?

Vieles spricht für unfreiwillige Komik, für heftigen Willen zur Bedeutung. Etwa die überambitionierte, höchst nervige Kamera, die ständig an den Schauspielern klebt (und ihnen daher manche Szene versaut) und den Eindruck erweckt, als sei das alles eine lange, große Szene (für diesen nutzlosen Eindruck muss der Film übrigens kräftig tricksen, unter anderem werden ständig Türen geöffnet, die nie jemand hinter sich schließen darf, weil sonst der Kameramann dagegen donnern würde).

Nein, das ist gewiss alles ernst gemeint. Und man leidet mit, weil gute Schauspieler wie Edward Norton, Emma Stone, Naomi Watts und Zach Galifianakis sich die Seele aus dem Leib spielen und man ihnen zurufen möchte: Lasst gut sein, das ist der Text gar nicht wert. Und weil man einem mäßig talentierten Schauspieler wie Michael Keaton (der ein Komiker und Tragöde ist) wünscht, er wäre "Batman" geblieben. Und nicht Riggan Thomson geworden. Aber das ist schon wieder so eine seltsame Spiegelung dieses wunderbar vermurksten Kunst-Films, den man sich unbedingt anschauen sollte.

Thomas Friedrich

USA 2014 R: Alejandro G. Iñárritu B: Alejandro González Iñárritu, Nicholás Giacobone, Alexander Dinelaris, Armando Bo K: Emmanuel Lubetzki D: Michael Keaton, Emma Stone, Zach Galifianakis, Naomi Watts. 119 Min.