STADT ALS BEUTE
Overacting Mehrere Personen suchen das Leben für's TheaterRené Pollesch gilt als wuchtiger Theatermann und sperriger Texter, sein Theaterstück Stadt als Beute als Deklamationsveranstaltung wider den Ungeist des Stadtmarketings, der Ökonomisierung der Lebensverhältnisse und der Merkantilisierung. Und als Wiederauferstehtung des Thesen-Theaters voller Fremdwörter - allerdings meist gebrüllter. Ein Schauspieler ist er nicht, auch wenn er hier den Regisseur René Pollesch spielt. Irene von Alberti, Miriam Dehme und Esther Gronenborn teilen sich die Regie- und Buch-Arbeit in dieser Auseinandersetzung mit Stück und Stadt. Der Film endet mit dem Beginn der (fiktiven) Theaterpremiere: Licht aus - Applaus im Dunkeln.
Vorher sehen wir einen Probentag voller Niggeligkeiten und künstlerischer Differenzen, und drei Abenteuer dreier Schauspieler. Die lernen am richtigen Leben dabei irgendwas, das ihnen bei der Darstellung hilft. Möglicherweise.
Marlon etwa, unerfahren und neu in der Stadt, muss plötzlich auf ein Kind aufpassen, verliert es, stürzt in die Nacht, trifft seltsame Gestalten, kriegt einiges auf die Nase und gewinnt an Standing und echter Emotion. Lizzy dagegen will ihr "Wesen" mit der Rolle verbinden und lernt ausgerechnet von einem "Babe" im Strip-Club eine andere Sicht. "Ich würde nie einem zeigen, wer ich wirklich bin" sagt das dumme, weise Blondchen.
Ohboy schliesslich, ein Original-City-Tramp, schlawienert sich beim Sozialamt durch, gerät in allerlei Ärger und plantscht schließlich seine Zivilisations-Kritik beim Text-Lernen in den Sony-Center-Springrunnen.
Die einzelnen Episoden sind schöne, kleine Stadt-Lebens-Zeichen, die mit leichter Hand dem all zu wichtigtuerischen Pollesch-Text entwischen. Gern hätte man auch die Umgebungs-Geschichten anderer Schauspieler gesehen. Oder doch wenigstens eine Episode, in der der Autor/Regisseur-Darsteller auch etwas vom Leben lernt.
Am Ende raufen sich Marlon, Lizzy, Ohboy und der Rest der Crew handgreiflich zusammen. Und Rene Pollesch hat den letzten Satz: "Ich schaue mir nie Premieren an. Das ist ihr Abend".
WING
D 2005, R/B: Irene von Alberti, Miriam Dehne, Esther Gronenborn, K: Dirk Heuer, Felix Leiberg, Patrick Waldmann, D: René Pollesch, Richard Kropf, Inga Busch, David Scheller
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