FALSCHER BEKENNER
Lauer Jüngling Ein deutsches Pubertätsdrama
Das Schlimmste an der Pubertät sind nicht die Pickel und all die anderen körperlichen und hormonellen Veränderungen, die einen überfallartig heimsuchen. Das Schlimmste an der Pubertät ist die Langeweile. Die Art, wie die Zeit dahinkriecht in Schulstunden oder an Sonntagen im Kreise der Familie. In Christoph Hochhäuslers Falscher Bekenner macht der 16jährige Armin einmal einen Ausflug mit seinen Eltern. Die frische Luft wird dir gut tun, hatte die Mutter gesagt. Auf dem Feldweg albern die Eltern ein bisschen miteinander rum. Zum ersten Mal sieht man, dass die beiden auch ein bisschen mehr sind als die Spießer, die ihrem Sohn das Leben schwer machen. Die Mutter hakt Armin unter, der lässt es mit sich geschehen, und für eine halbe Filmminute stolziert ein Stück Familienidylle über das Feld. Aber dann macht sich das Unbehagen langsam über Armin her. Man sieht, dass er sich nicht wohl fühlt in seiner Haut, mit diesen Eltern, an diesem Ort. Er macht sich los, zieht die Schultern hoch und geht ein paar Schritte voraus.
Genau beobachtete Szenen wie diese zeichnen Hochhäuslers Studie über Verlorenheit des Jugenddaseins aus. Falscher Bekenner verfolgt den Spätpubertätsalltag in der westdeutschen Provinz. Armin ist der jüngste von drei Brüdern. Die Geschwister stehen stolz im Berufleben, heiraten, pflanzen sich fort. Aber Armin kommt nicht aus der Hüfte. Bei Bewerbungsgesprächen dauert es keine zehn Minuten, bis die Arbeitgeber die Geduld mit dem indifferenten Jüngling verlieren. Armin ist zu unentschieden für diese Zeit, in der alle schon viel zu früh sehen müssen, wo sie bleiben.
Dabei ist es doch eigentlich das Vorrecht der Jugend, nicht zu wissen, wo es lang geht. Aus einer Laune heraus beginnt Armin anonyme Bekennerschreiben zu verschicken und bezichtigt sich, den Autounfall eines Bankiers und den Brand eines Hauses verursacht zu haben. Zeitungen und Lokalfernsehen sind voll von Mutmaßungen über den unbekannten Serientäter. Wenn auch unsichtbar, steht Armin jetzt im Zentrum der Öffentlichkeit. Bis er beschließt, den Bekenntnissen auch Taten folgen zu lassen.
Selten hat ein Film das grundlegende Unwohlsein, das tiefsitzende Gefühl, nicht verstanden zu werden, und den verzweifelten Kampf eines Jugendlichen gegen die eigene Nichtexistenz so realitätsnah ausformuliert.
Martin Schwickert
D 2006 R&B: Christoph Hochhäusler K: Bernhard Keller D: Constantin von Jascheroff, Manfred Zapatka, Victoria Trauttmannsdorff
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