Beerland Saufaus Ein Amerikaner entdeckt Deutschland am Boden des Stiefels Der Blick aus der Fremde enthüllt oft Neues, auch für Einheimische. Zumal für Deutsche, die noch nie auf dem Oktoberfest waren. Uns hat es jedenfalls genau so überrascht wie Filmemacher Matt Sweetwood und seine extra zum größten Bierfest der Welt angereisten Eltern aus Amerika, dass es auf der Wiesen kein Bier gibt. Wenn man nicht irgendwie in die riesigen Zelte hineinkommt. Dass sich dort Deutsche diverser Stände unterschiedslos zuschütten, finden die Sweetwoods ja irgendwie grundsympathisch, auch wenn sie etwas pikiert dabei aussehen. In der Folge reist Matt Sweetwood, der schon länger in Berlin lebt, kreuz und quer durch das Bierland Deutschland und sucht die Seele der Nation in ihrem liebsten Getränk. Glücklicherweise bereitet er seine Ergebnisse weitgehend streng persönlich auf und zwingt seine Zufallsfunde nicht in eine Generalthese. Bis auf das Fazit: Das Nationalgetränk sei wohl eher ein Regionalgetränk. Auf einer Fläche, die komplett in Texas hinein passen würde, fand er mehr Unterschiede als er sich vorstellen konnte, mehr Brauereien als im Rest der Welt, und dass sogar ohne das Ruhrgebiet oder Westfalen zu streifen. Richtig lehrreiche Passagen illustriert er mit Animationen aus den Zinnfiguren-Dioramen, die ein schrulliger Bayer zur Biergeschichte baute. Schöne Ägypterinnen badeten in Bier, damals noch ohne Hopfen, Tacitus erschrak über die versoffenen Germanen, das christliche Mittelalter trank sich in der Fastenzeit breit, weil Bier als Fastenspeise galt, und das Reinheitsgebot wird als Wirtschaftstrick zur Förderung der Hopfenbrauerei entlarvt. Andererseits wäre der Kühlschrank wohl nicht in Deutschland erfunden worden, wenn Carl Linde nicht so gerne Bier getrunken hätte. Interessanter aber findet Sweetwood, dass Bauernburschen Bierkästen zu Go-Carts umbauen, Hopfen-Königinnen demokratisch gewählt werden, ein niedersächsischer Schützenverein beim Biermarsch grundsätzlich nur Holzgewehre trägt oder ein Berliner Stammtisch dem amerikanischen Gast halb nüchtern senile Fremdenfeindlichkeit vorführt. Und hin und wieder wird er sogar kulturvergleichend. Bei sich zu Hause wäre es unmöglich, auf offener Straße Bier zu trinken oder unter 21 überhaupt Alkohol zu kaufen. Dafür gibt es in Deutschland Anstoß-Rituale. Und winzige Brauereien, in denen weltweise Greise im Dampf von Hopfen und Malz wie Miraculix wirken. Oder Obi Wan Kenobi, der dem Amerikaner eben eher einfällt. Die Dokumentation ist weit entfernt von jeder Vollständigkeit. Weder kommt der Missbrauch vor, noch die industrielle Konzentration, noch der bei all dem trotzdem stetig sinkende Bierkonsum der Deutschen. Aber gerade weil wohl die meisten Deutschen ihren lokalen, persönlichen Umgang mit Bier darin gerade nicht wiedererkennen, dürfte sie allen schmecken. Wing Beerland. D 2011. R + B: Matt Sweetwood K: Thomas Lütz , Axel Schneppat
|