IN THE BEDROOM Das Zimmer meines Sohnes
Todd Fields Psycho-Studie einer reduzierten Familie Dass In the Bedroom trotz seiner fünf Nominierungen bei der Oscar-Verleihung leer ausging, ist unverzeihlich. Vielleicht liegt es daran, dass Todd Fields intensives Familiendrama auf ganz unamerikanische Weise von der amerikanischen Seele erzählt. Gerade einmal 18 Seiten zählt die Kurzgeschichte von Andre Debus, die Field für sein brillantes Regiedebüt als Vorlage diente. Da bleibt wenig Raum für Geschwätzigkeiten und viel Platz für genaue Beobachtungen. In the Bedroom erzählt von einer Kleinfamilie im malerischen Küstenstaat Maine. Wie alle Eltern wollen auch die Fowlers nur das beste für ihren einzigen Sohn. Nach den Sommerferien soll Frank (Nick Stahl) sein Architekturstudium beginnen. Dass er gerade eine Affäre mit der zehn Jahre älteren Natalie (Marisa Tomei) anfängt, stößt auf entschiedenen Widerstand seitens der Mutter (Sissy Spacek), wohingegen der Vater (Tom Wilkinson) die Beziehung mit stillem Vergnügen beobachtet. Natalie lebt in Scheidung und hat einen sechsjährigen Sohn. Keine Frau für einen flüchtigen Sommerflirt. Aber noch bevor sich die Gefühle der Frischverliebten sortieren können, wird Frank vom eifersüchtigen Ex-Mann erschossen. Der plötzliche Tod des Sohnes reißt einen tiefen Graben in die Ehe der Fowlers. Während Matt sich in sich selbst verkriecht, versteigt sich Ruth in ihre Rachegefühle. Dass der Täter mit ein paar Jahren Gefängnis davon kommen soll, ist für sie unerträglich. Tatenlosigkeit wirft sie ihrem Mann vor, er ihr Kaltherzigkeit. Nach Jahrzehnten freundlicher Eheroutine brechen die Wunden auf. Wenn Matt am Ende zur Waffe greift, ist das der vergeblicher Versuch, durch einen Racheakt die familiäre Harmonie wieder herzustellen. Wer in die Seele der Menschen schauen will - das weiß Regisseur Todd Fields sehr genau - darf nicht zu dicht an die Oberfläche herantreten. Deshalb zoomt sich die Kamera nicht an tränende Augäpfel heran, sondern tritt zurück und schaut dem Weinenden über die Schulter. Ganz ohne oscar-erheischendes Overacting setzen Sissy Spacek und Tom Wilkinson unter der Oberfläche Gefühle in Bewegung. Die respektvolle Distanz, die Todd Field dabei zu seinen Figuren hält, ermöglicht dieses seltene Zusammenspiel von intensivem Mitgefühl und analytischer Präzision. Denn hinter der berührenden Familentragödie verbirgt sich hinter In the Bedroom eine messerscharfe Psycho-Studie über die schlummernden Gewaltstrukturen im Mittelklasse-Amerika.
Martin Schwickert
USA 2001 R: Todd Field B: Andre Debus, Rob Festinger, Todd Field K: Antonio Calvache D: Sissy Spacek, Tom Wilkinson, Marisa Tomei
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