BEAUTIFUL BITCH Kleine Diebe Kinder als Kriminelle - ein Film, der sich nicht mit Empörung begnügt und am Ende trotzdem etwas zu plakativ wird Fünfhundert Euro Minimum müssen jeden Tag beim Patron abgegeben werden. Für Bica (Katharina Derr) ist das kein Problem. Mit Taschendiebstahl kennt sich das 15-jährige Mädchen aus. Als Waisenkind auf den Straßen von Bukarest hat sie sich und ihren jüngeren Bruder damit durchgebracht. Der Kleine ist jetzt in einem rumänischen Heim und Bica weit weg in Düsseldorf, wo sie für einen Taschendieb-Ring arbeitet, um sich mit ihrem Bruder ein neues Leben aufbauen zu können. Cristu (Patrick von Blume), der Menschenhändler und Schieber, der sie in Bukarest rekrutiert hat, ist ihr wohl gesonnen. In seinem Safe verwahrt er eine Zigarrenkiste, in der Bicas Anteil bis zu ihrer Rückkehr nach Rumänien in ein paar Monaten gesammelt werden soll. Skeptisch wiegt das Mädchen das verschlossene Kästchen in ihren Händen. Als sie es öffnen will, schnappt der Patron es ihr wieder weg. Täglich von neun bis sechs werden die Kinder, die mit Cristu in einer engen Plattenbauwohnung hausen, hinausgeschickt, um die kaufwillige Kundschaft in der Düsseldorfer Fußgängerzone und den glitzernden Einkaufszentren zu bestehlen. Mehrere Hundert Kinder sind in den deutschen Großstädten als Taschendiebe für die rumänische Mafia aktiv. Für ein paar Monate werden sie illegal eingeschleust, in Wohnungen kaserniert und zum Klauen gezwungen. Danach geht es wieder zurück oder in eine andere europäische Stadt. Es ist eine moderne Form der Kinderversklavung, die täglich vor unseren Augen, begleitet von gelegentlichem Schlagzeilengewitter, stattfindet. In seinem Jugenddrama schaut Martin Theo Krieger nun hinter die kriminellen Kulissen und widmet sich der sozialen Realität der betroffenen Kinder. Dabei vermeidet er - zumindest in der ersten Kinostunde - eine Schwarz-Weiß-Zeichnung des Milieus. Bica ist kein wehrloses Opfer, sondern eine selbstbewusste Diebin. "Die Reichen geben den Armen nichts ab. Sie müssen es sich nehmen." sagt sie zu Milka (Sina Tkotsch), die verwöhnte Oberklassen-Zicke, mit der sie sich langsam anfreundet. Die zunächst plakative Konfrontation der beiden Welten wird durch eine differenzierte Gestaltung der Konflikte zwischen den beiden ungleichen Freundinnen wieder aufgehoben. Auch der Patron, der seine minderjährigen Diebe nicht nur mit bloßer Gewalt, sondern auch mit Anflügen von väterlicher Fürsorge behandelt, tritt aus den Mafia-Klischees spürbar heraus. Denn wichtiger als das materielle ist das psychologische Abhängigkeitsverhältnis, in das sich die Kinder zu ihrem Ausbeuter begeben. Schade, dass der Film in der Zielgeraden mit einer völlig überflüssigen Vergewaltigungsszene und der üblichen dramaturgischen Zuhilfenahme einer Schusswaffe die schillernden Charaktere ins Stereotyp hineindrängt, um sein moralisches Statement widerspruchsfrei formulieren zu können. Eine wirkliche Entdeckung ist die junge Katharina Derr, die ihre Figur zwischen krimineller Abgeklärtheit und aufkeimenden Jugendsehnsüchten mit einer ungeheuren emotionalen Bandbreite zu zeichnen versteht. Martin Schwickert Beautiful Bitch D 2008 R&B: Martin Theo Krieger K: Andreas Höfer D: Katharina Derr, Patrick von Blume, Sina Tkotsch
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