Barfuß auf Nacktschnecken Am Leben irre werden Zwei Schwestern finden in die Welt zurück Lily (Ludivine Sagnier) lebt in ihrer eigenen Welt. Die ist bunt und ganz nah an die Natur herangebaut. Wie ein riesiges Kind tollt sie im kurzen Flickenkleid über die Wiese. Wenn sie auf dem Weg ein totes Tier findet, kommt das zu Hause ins Tiefkühlfach. Aus den Pelzen näht sie Pantoffeln und Skulpturen. Den Bäumen im Wald häkelt sie bunt gemusterte Kleider. Die Äste sind mit Armen, Beinen und Köpfen von Puppen verziert. In ihrer Holzhütte baumelt ein Teddy, den Strick um den Hals, von der Decke. In der überbordenden Fantasie, mit der Lily ihre Welt gestaltet, wohnt auch immer ein gutes Stück Morbidität. Mit ihrer Mutter lebt die kindlich gebliebene junge Frau in einem idyllisch abgelegenen Landhaus. Als die Mutter plötzlich stirbt, ist klar, dass Lily ihr Leben nicht alleine meistern kann. Die große Schwester Clara (Diane Kruger), die in Paris als Anwaltsgehilfin arbeitet und mit ihrem Chef verheiratet ist, reist an, um nach der Beerdigung die Dinge zu regeln. Unter der Woche soll eine Nachbarin nach dem rechten sehen, die Wochenenden über will sich Clara selbst um Lily kümmern. Aber schon bald wird klar, dass die Schwester mit der Betreuerin nicht zurecht kommt. Der Versuch Lily nach Paris zu holen scheitert ebenfalls, als sie schon während der ersten Tage im Großstadtchaos verloren geht. Und so ziehen beide gemeinsam zurück in das Elternhaus auf dem Lande. Durch das ganz am Augenblick orientierten Wesen der verwirrten jüngeren, beginnt die vernünftige, große Schwester das eigene Leben neu zu hinterfragen, gerät dabei aber durch Lilys direkte, oftmals auch verletzende Art deutlich an die eigenen Grenzen. Ein wenig zu plakativ ist die Grundkonstellation der beiden ach-so-verschiedenen Schwestern in Barfuß auf Nacktschnecken schon geraten. Hier die grau gekleidete Anwaltsgehilfin, die ihr großstädtisches Leben an der Seite eines jungen Karrieristen fest im Griff hat. Dort die flippige Kindfrau, die in den sonnigen Tag hinein lebt. Aber je weiter der Film fortschreitet, umso stärker werden die Figuren konturiert und die Risse in den grundverschiedenen Schwesternseelen sichtbar. Dabei lebt der Film vor allem von der verspielten Genauigkeit, mit der Ludivine Sagnier ihre Figur zwischen Naivität, Wahnsinn und erstaunlicher Hellsichtigkeit zeichnet, und der liebevollen Ausstattung, mit der die Künstlerin Valérie Delis die Innenwelten der Figur in farbenfrohen Naturskulpturen spiegelt. Optisch hat der Film eine Vielschichtigkeit und Textur, die in inhaltlicher und dramaturgischer Hinsicht keine richtige Entsprechung findet. Dass die Normalen ihre Lebenslektion von den Verrückten lernen, ist zwar ein menschenfreundliches, aber leider auch abgegriffenes Klischee. Martin Schwickert Pieds nus sur les limaces F 2010 R: Fabienne Berthaud B: Pascal Arnold K: Fabienne Berthaud, Nathalie Durand D: Diane Kruger, Ludivine Sagnier, Denis Menochet
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