AUFTRAG RACHE Boston Lethal Mel Gibson kann die Welt nicht retten Der deutsche Titel ist so falsch, dass er schon fast wie ein Desinformations-Manöver klingt. Es gibt keinen Auftrag, und Rache ist nicht der Antrieb für Mel Gibsons Rückkehr ins Kino. Sein Bostoner Polizist Thomas Craven agiert aus der inneren Leere heraus, aus Trauer und Verzweiflung. Er sucht einen Sinn, nicht Wiedergutmachung. Thomas Craven, allein lebender Witwer und Mordermittler kurz vor der Rente, kriegt Besuch von seiner Tochter. Die spuckt plötzlich Blut, will ihm dringend noch etwas sagen, wird aber vorher von irgendwem scheinbar zufällig erschossen. Niemand glaubt die Polizei-Theorie, dass ein Anschlag auf den Detektive die falsche traf. Niemand aber kann auch glauben, wie schnell Craven hinter dem Drive-by-Shooting auf ein Labyrinth von Geheimdienstmachenschaften stößt, die irgend etwas mit Nuklearmaterial und im Halbschatten herumstehenden Informanten zu tun haben. Regisseur Martin Campbell realisierte vor 25 Jahren den selben Stoff als vielgelobte Fernsehserie für die BBC. Später erfand er mit Casino Royal den modernen James Bond. Sein stark gekürztes Selbst-Remake versucht, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren. Mal ragt die Burg des Bösen, ein Hightech-Industrie-Park, bondisch-bombastisch auf, mal treffen sich munkelnde Interessenvertreter in Tiefgaragen und reden in Rätseln. Mal unterhält sich Craven herzzerreissend mit seiner toten Tochter, mal knackt er One-Liner heraus, mit denen man Bäume fällen kann. Du musst dich entscheiden: Hängst du am Kreuz oder schlägst du die Nägel ein? Mel Gibson will offensichtlich beides. Er leidet mit tief zerfurchtem Gesicht, er ist eindeutig auf der guten Seite, aber er explodiert auch in Gewalt. Und dann und wann hüpft er mit schierer Präsenz über Logik-Löcher, während das Skript noch Andeutungen verteilt, wie etwa die radioaktiv strahlende Locke der toten Tochter, die Craven von der Leichenschau mitnahm. Optisch spielt der ganze Film passend zu seinem Originaltitel am Rande der Dunkelheit. Ständig sind wir am Abend, in der Nacht oder in verschattetem Gelände. Helle Farben gibt es nur in den Erinnerungen an die Tochter. Sogar im strahlenden Herz der Macht sehen die Farben ausgewaschen aus. Da ahnt man schon sehr bald, dass Thomas Craven ja vielleicht die Mörder seiner Tochter findet, aber sicher nicht die Erlösung. Erstaunlich ist, wie beiläufig die Ermittlung abgehandelt wird und wie düster Gibsons früherer Spinner aus Conspiracy Theory hier Recht kriegt. Eher erschreckend ist, dass Cravens Opfergang nicht richtig zynisch ausgeht, sondern Family Values feiert. Als Remake ist das eine Katastrophe, als Relaunch ist es immerhin verstörend. Wing Edge of Darkness. USA 2010, R: Martin Campbell B: William Monahan, Andrew Bowell K: Phil Meheux D: Mel Gibson, Ray Winstone, Bojana Novakovic
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