DAS ATTENTAT
Frage der Dramaturgie Mit Botschaft und Starbesetzung: Rob Reiner verfilmt die Wiederaufnahme eines Mordprozesses Die dankbarsten Konflikte sind noch immer die zwischen richtig Gut und eindeutig Böse. Um so einen Konflikt geht es in Das Attentat. Auf der einen Seite haben wir den jungen, aufstrebenden Unterstaatsanwalt Bobby DeLaughter (leicht verfettet: Alec Baldwin), der nett und sympathisch ist, schon von Berufs wegen das Böse hinter Gitter zu bringen versucht und in diesem Fall ein Verbrechen aufklärt, das zwar schon 26 Jahre zurückliegt, nichtsdestoweniger aber weit in die Gegenwart reicht. Auf der anderen Seite haben wir den Verbrecher von damals, der seinerzeit in dubio pro reo auf freien Fuß gesetzt, allerdings nicht freigesprochen wurde. Der Verbrecher heißt Byron De La Beckwith (richtig schön widerlich: James Woods); er hat am 12. Juli 1963 einen Familienvater namens Medgar Evers hinterrücks und vorsätzlich erschossen. Allerdings hat sich Byron De la Beckwith damals nichts dabei gedacht, jedenfalls nicht, daß er etwas Böses getan haben könnte. Im Gegenteil: Evers war ein übler Geselle, ein Nigger, der die gottgegebene Minderwertigkeit aller Nicht-Weißen nicht nur leugnete, sondern auch schwer daran arbeitete, die Rassenschranken niederzureißen. Ein Bürgerrechtler. Vor Gericht leugnete Beckwith die Tat zwar, mehr pro forma, im Kreise Gleichgesinnter dagegen rühmte er sich des Mordes. Der Kreis der Gleichgesinnten war ziemlich groß, er bestand aus der Mehrzahl der weißhäutigen Einwohner des US-Bundesstaates Mississippi. Was eine interessante Frage aufwirft: Wie kann etwas, das für eine große Zahl von Menschen einmal legitim war, Jahrzehnte späte böse sein? 1989 stand Myrlie Evers (Whoopi Goldberg), die Witwe des Bürgerrechtlers, jedenfalls mal wieder auf der Matte der Staatsanwaltschaft von Hinds County und versuchte, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen. Und wieder wurde ihr bedauernd erklärt, daß sie sich keine Hoffnungen machen solle, erstens sei der Fall nicht gerade besonders aktuell, außerdem seien zufällig fast alle Unterlagen, Beweisstücke und Protokolle verschwunden.
Jens Steinbrenner
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