VON DER KUNST, SICH DURCHZUMOGELN

Jung und malerisch

Ein Versager erwacht zum Leben

George ist ungefähr 16 und schon so weise, dass er es aus philosophischen Gründen ablehnt, Hausaufgaben zu machen. Schließlich sterben wir alle mal. Er hat eine künstlerische Seele, kritzelt Comicfiguren in alle Lehrbücher und enttäuscht seinen Kunstlehrer, weil er zugibt, bei aller Kreativität nichts zu sagen zu haben. George ist nett. Er rettet eine Mitschülerin vor dem Schulverweis wegen Rauchens und bleibt bei der ersten Übernachtung bei ihr strikt im eigenen Bett. Später Zuhause hört er Leonard Cohen, und der Regisseur spendiert ihm einen Traum von der ersten eigenen Ausstellung: Lauter leere Bilder.

Es dauert fast eine Stunde, bis die Krise kommt. George wird von der Schule fliegen, wenn er nicht in ein paar Wochen das Pensum eines Jahres nachholt. Weil dies ein amerikanischer Film ist, wird er es schaffen. Und auch noch das Mädchen kriegen. Möglicherweise fanden gerade deshalb die meisten amerikanischen Kritiker das Debüt des Regisseurs und Drehbuchautors Gavin Wiesen eine enttäuschende Rom-Com in nach den simplen Mustern des Genres. Europäische Kritiker sehen eher ein ungewöhnliches New York und einen sympathischen Indie-Ton in der Geschichte vom schlechten guten Schüler, der kurz vor knapp doch noch die Kurve kriegt.

Die Wahrheit liegt dazwischen. Für den staatserhaltenden Disney-Touch kommt die Botschaft, dass auch ein Weichei es bringen kann, zu leise rüber. Und für die künstlerisch aufrüttelnde Botschaft, dass ein rigoroses Schulsystem mit etwas Menschlichkeit jedem seine Chance geben kann, ist Georges Examens-Bild, das den Kunstlehrer davon überzeugt, hier habe jemand seine Seele gefunden, dann doch etwas zu flach. Lange versucht Gavin Wiesen, das Schlussbild nicht zu zeigen und es unserer Imagination zu überlassen. Aber das wäre wohl zu europäisch gewesen.

Wing

The Art of getting by. USA 2011. R + B: Gavin Wiesen K: Ben Kutchins D: Freddie Highmore, Emma Roberts, Sasha Spielberg