PIECES OF APRIL


Bucklige Verwandtschaft

Kathie Holmes kocht für die Familie

Beim Truthahnbraten wie in Filmen kommt es auf die Füllung an. In Peter Hedges Eine wie April stimmt die Füllung und damit auch die Würze, mit der diese liebevoll-sarkastische Familienkomödie durchzogen ist. Alles dreht sich um den Truthahn, um den sich die amerikanischen Familien am Thanksgiving-Day versammeln. Unglaublich, was April mit dem Geflügelleichnam alles anstellt: Erst klatscht er auf den versifften Küchenboden, dann wird das Teil derart martialisch vollgestopft, dass sie um die Selleriestangen, das aus den Truthahnhintern herausragen, drumherum nähen muss. Wie diese Frau Zwiebeln schält und versucht, rohe Kartoffeln zu Püree zu verarbeiten - das muss man einfach gesehen haben. Allein schon als Gegengift zu all den Fernsehköchen, denen komplizierteste Gerichte immer so mühelos gelingen.
Aber auch weil man daran sieht, wie hart April daran arbeitet, ihr Leben in den Griff zu bekommen. April (Kathie Holmes) ist das schwarze Schaf der Familie, der man ihre kürzlich beendete Drogen- und Punk-Rebellion noch deutlich ansieht.
Jetzt hat sie die Verwandtschaft zum Thanksgiving-Essen in ihre viel zu enge New Yorker Schmuddelwohnung eingeladen, weil sie etwas gut zu machen hat und ihre Mutter dem nahenden Krebstod ins Auge sieht. Versöhnung steht auf dem Programm, aber trotzdem lässt Peter Hedges in seinem Regiedebüt keinen Millimeter Platz für Sentimentalitäten.
Während April mit ihrem Truthahn auf der Suche nach einem funktionierenden Ofen durch die multikulturelle Nachbarschaft tingelt, wird die anreisende dysfunktionale Familie in einem kleinen Roadmovie vorgestellt. Krankheit und Chemotherapie haben in der Mutter (brillant: Patricia Clarkson) einen blühenden Sarkasmus hervorgebracht, der vor nichts und niemanden halt macht. Die jüngere Tochter (Alison Pill) kämpft verbissen um die Aufmerksamkeit der Mutter, die zu ihrem Sohn (John Gallagher Jr.) eine offensiv ödipale Vertrautheit an den Tag legt. Ihr Mann (Oliver Platt) versucht unbeholfen das fragile Familiengefüge zusammen zu halten.
Je näher sich das Auto nach Manhattan vorarbeitet, desto klarer wird es, dass es zum Eklat kommen muss. Einmal versucht die Familie wenigstens eine schöne Erinnerung an Aprils Kindheit hervorzugraben. Das Bemühen ist redlich, aber das Ergebnis kläglich - und sehr unterhaltsam.
Hedges unverlogener Blick auf die zerrüttete Familie bringt einen gnadenlosen Humor zum Vorschein, dessen nachhaltige Wirkung auch nicht durch das etwas plötzlich hereinbrechende Happy End aufgehoben wird.
Leider kommt der Film hier etwas spät in die Kinos. Nach einem fetten Weihnachtsessen mit der buckligen Verwandtschaft wäre Eine wie April als filmischer Verdauungsschnaps ideal gewesen.

Martin Schwickert
USA 2003 R&B: Peter Hedges K: Tami Reiker D: Katie Holmes, Patricia Clarkson, Derek Luke