DIE ANWÄLTE - EINE DEUTSCHE GESCHICHTE

Wirkungslos

Drei Schicksale, drei Rechthaber

Sein Schlussplädoyer sei, so erinnert sich Otto Schily nicht ohne Eitelkeit, recht vielversprechend gewesen. Aber dann sei der Angeklagte noch einmal zu Wort gekommen und habe alles zunichte gemacht. "Mit Richtern redet man nicht. Auf Richter schießt man." hatte Horst Mahler ausgerufen, der selbst als eloquenter Anwalt der APO Ende der 60er bekannt geworden war und 1973 als Mitglied der "Roten Armee Fraktion" vor Gericht stand.

Ein Foto von dem Prozess ist der Ausgangspunkt für die Dokumentation Die Anwälte - ein deutsche Geschichte . Horst Mahler, Otto Schily und Christian Ströbele sind darauf im Gerichtssaal zu sehen. Drei Anwälte, die einst mit ähnlichen linken Idealen die Studentenrevolte begleitet haben und sich später in diametral entgegengesetzte Richtungen entwickelt haben. Mahler, der die Anwaltsrobe gegen die Knarre tauschte, als RAF-Mitglied zu vierzehn Jahren Haft verurteilt wurde und heute wieder im Gefängnis sitzt, weil er im Dienste der rechtsradikalen NPD öffentlich den Holocaust verleugnet hat. Schily, der neben Horst Mahler auch Gudrun Ensslin in Stammheim verteidigte, zu den Mitbegründern der "Grünen" zählt, später jedoch als pragmatischer Machtmensch zur SPD wechselte und als Innenminister im Kabinett Schröder eine äußerst restriktive Sicherheitspolitik betrieb. Und schließlich Ströbele, der Andreas Baader verteidigte, ebenfalls bei den "Grünen" landete, dort jedoch stets ein aufrechter Verfechter seiner pazifistischen Ideale blieb.

Eloquent und mit einem gerüttelt Maß an Medienerfahrung vertreten sich die drei Anwälte in eigener Sache. Nur punktuell kommt wirklich Persönliches zum Vorschein. Trotz ihrer chronologischen Struktur verkommt die Dokumentation nicht zur Schulgeschichtsstunde. Leerstellen und Widersprüche bleiben bestehen zugunsten eines multiperspektivischen Blicks auf die politischen Verhältnisse in einem Land, das durch seine außerparlamentarische Opposition über drei Jahrzehnte in Unruhe gehalten wurde. Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Und auch dafür stehen die drei Figuren: Schily steigt nach dem Interview wieder in seine Luxuslimousine, Mahler wandert erneut ins Gefängnis und Ströbele wirkt, wenn er als Einzeltäter im Bundestag gegen den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo wettert, wie ein tragischer Einzeltäter. Ihre politische Wirkungskraft haben alle Drei verloren.

Martin Schwickert

D 2009 R&B: Birgit Schulz K: Isabelle Casez, Axel Schneppat