ANTICHRIST Die Hexe muss brennen Lars von Triers Therapie-Porno widmet sich wieder seinem Lieblingsthema: dem Quälen von Frauen Die Verbraucherhinweise gleich vorne weg (dann haben wir´s hinter uns): Wer weder penetrierende Penisse, durchbohrte Gliedmaßen noch eine Klitorisbeschneidung in Großaufnahme sehen will, sollte sich an einer anderen Kinokasse anstellen. Lars von Trier lässt hier nichts aus, um zu schockieren. Wie man an der Aufzählung vielleicht schon erkennen kann, geht es im neuen Werk des dänischen Provokationsmeisters um Sex, Schuld und Strafe. Genau in dieser Reihenfolge, wobei der Strafe der weitaus ausführlichere Teil des Filmes gewidmet ist. Aber zunächst der Sex. Zu Beginn fallen eine Frau (Charlotte Gainsbourg) und ein Mann (Willem Dafoe) im Badezimmer lustvoll übereinander her, während im Nebenzimmer ein kleines Kind aus dem Gitterbett klettert, durch die Wohnung irrt, die Eltern kurz beim Sex beobachtet, auf die Fensterbank des geöffneten Fensters steigt und mehrere Stockwerke tief auf die verschneite Straße in den Tod stürzt. Die Szene ist in Schwarz-Weiß und Zeitlupe gedreht und mit Musik von Händel unterlegt. Die Gleichzeitigkeit von elterlicher Kopulation und Kindstod verschweißen Lust und Schuld untrennbar. Die Mutter wird von Trauergefühlen fast erdrückt, ihr Mann, ein Psychologe, der sich und seine Frau im Griff zu haben glaubt, beginnt sie zu therapieren. Dafür geht es tief in den Wald hinein zu einem Ferienhaus mit dem verheißungsvollen Namen "Eden". In der Wildnis dreht sich bald das therapeutische Machtverhältnis um und die Gattin mutiert zur gewalttätigen Rächerin, die das Gemächt ihres Mannes mit einem Holzscheit malträtiert, ihm ein Loch ins Bein bohrt, einen schweren Schleifstein daran schraubt, sich selbst mit der Schere genital verstümmelt und schließlich, vom Mann überwältigt, auf einem Scheiterhaufen verbrannt wird. Dass Lars von Trier ein etwas gestörtes Verhältnis zum weiblichen Geschlecht hat, ahnte man schon. Emily Watson als naive Seemannsbraut, Björk als zum Tode verurteilte Märtyrerin, Nicole Kidman als versklavte Wohltäterin und Bryce Dallas Howard als vergebliche Befreierin - sie alle sind Leidensgestalten, auf deren Schultern Trier mit fast sadistischem Elan das Elend der Welt ablädt. Sicherlich ist Charlotte Gainsbourg eine der aktivsten Heldinnen im Trierschen Universum, was dann auch gleich mit dem Tod bestraft wird. Natürlich darf man auch diesen Film nicht eins zu eins interpretieren. Schließlich sagt ein Fuchs im Film nicht zu Unrecht "Das Chaos regiert". Und Trier bekennt sich freimütig dazu, dass der Film als Selbsttherapeutikum nach einer schweren Depression entstanden ist. Mit seiner Psycho-Exkursion reist er tief ins Reich männlicher Angstfantasien, spielt auf seine sehr eigene Weise mit Genregesetzen und Märchenmythen - ein kranker, wenn auch nicht ganz uninteressanter Seelenhöllentrip, aber vor allem eine egomanische Zumutung eines heftig kriselnden Filmemachers. Martin Schwickert D/F/S/IT/POL 2009 R&B: Lars von Trier K: Anthony Dod Mantle D: Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe
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