Arschkalt

Sehnsucht nach Fischstäbchen

Herbert Knaup wäre gerne ganz woanders

Berg (Herbert Knaup) hat die Schnauze voll. Von seinem öden Job als Tiefkühlkostlieferant. Von seiner Frau, die ihn schon vor Jahren verlassen hat. Von den Geldsorgen, die ihn plagen, seit er die Firma seines Vaters in den Ruin gewirtschaftet hat. Und vor allem von seinem neuen Beifahrer Moerer (Johannes Allmayer), der ihn gnadenlos gut gelaunt zuquatscht. "Manchmal wünschte ich, ich wäre ein Fischstäbchen" denkt Berg laut aus dem Off herein und sehnt sich nach einer störungsfreien, tiefgefrorenen Existenz.

Berg will einfach nur seine Ruhe, aber die bekommt er nicht in André Erkaus grantiger Komödie Arschkalt. Neben dem nervigen Kollegen und der labilen Kundschaft sind da auch noch der Vater, der in einem viel zu teuren Altersheim lebt und seinen Geburtstag unbedingt in der eigenen Fabrik feiern will, von deren Bankrott er nichts ahnt. Und die neue Chefin Lieke van der Stock, die aus den Niederlanden herangereist ist, um die Filiale umzustrukturieren und den muffeligen Fahrer aus der Reserve zu locken versucht.

Einen Tiefkühlkostverkäufer, der mit seinem Lieferwagen von Haus zu Haus fährt, ins Zentrum einer Sozialkomödie zu rücken, ist eine viel versprechende Grundidee, und mit Herbert Knaup als frustriertem Fischstäbchenverkäufer ist Regisseur André Erkau ein echter Besetzungscoup gelungen. Mit Verve wirft sich Knaup in die Rolle des Stinkstiefels, aber sein detailreiches Porträt eines Mittfünfzigers, der nichts mehr vom Leben erwartet, verpufft in einer Geschichte ohne Hand und Fuß. Jenseits der Hauptfigur kommen die Charaktere kaum über eine schlampige Skizze hinaus. Johannes Allmayers frohsinniger Beifahrer bleibt eine Karikatur, die als Kontrastmittel dient und kein Eigenleben entwickelt. Auch die Romanze mit der charmanten Filialleiterin wird lieblos hineingeflickt. Mit den Hausbesuchen bei der Kundschaft verschenkt Erkau die Chance, sein Eigenbrötler-Porträt zu einem gesellschaftlichen Panorama zu weiten.

Selbst als Road-Movie ist Arschkalt ein Fehlgriff, weil der Film in den Weiten norddeutscher Landschaften keine kinotauglichen Bilder findet und visuell wie dramaturgisch in biederen Fernsehformaten stecken bleibt.

Martin Schwickert

D 2011 R&B: André Erkau K: Dirk Morgenstern D: Herbert Knaup, Johannes Allmayer, Elke Winkens