Angels' Share - Ein Schluck für die Engel Whisky und Sozialarbeit Ken Loach rettet einen jugendlichen Gewalttäter mit Edel-Schnaps Robbie ist kein netter Kerl. Routiniert rattert die Pflichtverteidigerin seine Untaten herunter. Ziemlich viel Körperverletzung. Nur eins spricht für ihn: Seine Freundin kriegt einen Sohn. Das wird ihm eine Lehre sein. Und ganz überraschend räumt ihm der graue, scheinbar ungerührt klappernde Justizapparat eine Chance ein: 300 Stunden gemeinnützige Arbeit. So märchenhaft begann Ken Loach seine Filme aus der Arbeiterklasse bisher nicht, auch wenn es später häufig leicht zauberhafte Wendungen gab. Diesmal kommt der dramatische Realismus erst nach dem Hoffnungsschimmer. Die minderjährige werdende Mutter fordert kategorisch ein ordentliches Leben von Robbie, sonst geht sie. Ihre Familie schlägt den werdenden Vater bös zusammen, weil dessen Familie seit Generationen mit ihrer im Zwist ist. Also arbeitet er mit einer Gruppe liebenswert vertrottelter Kleinkrimineller gemeinnützig. Und hat seinen zweiten Märchenmoment in Gestalt eines bulligen, knorzigen Sozialarbeiters, der seine Truppe in der Arbeitspause zur Besichtigung einer Whisky-Destillerie mitnimmt. Ist es das sinnliche Arbeitsethos, sind es die lustigen geklauten Probefläschen? Jedenfalls ist Robbies Interesse für das "Wasser des Lebens" geweckt. Er schmeckt sich in die Welt von Malz und Eiche, wühlt sich durch die Fachliteratur, fällt schon bald nach der Geburt des Babys als Wunderkind bei einer Edel-Verkostung auf, und wenn wir in Amerika wären, triebe ein fieser Spirituosen-König sein Spiel mit ihm, bis er dessen Tochter ... nein, falsches Märchen. Ein ordentlicher englischer Unterschichtler kann nur darauf kommen, mit seinen Freunden, den Losern vom Arbeitsdienst, den teuersten Whisky der Welt zu stehlen, der alle vielleicht aus dem tristen Alltag heraus holt. In den schottischen Highlands tauchte ein Fass auf, das auf einen Millionenwert geschätzt wird. Wer davon ein paar Schluck abzwacken könnte, hätte ausgesorgt. Bei der Aussicht bleiben dann auch kompliziert eingeführte Konflikte und Nebenfiguren wie Frau und Kind einfach mal beiseite, wenn der Hauptteil des Films eine Art Caper-Movie mit sympathisch unterqualifizierten Jugendlichen wird. Und das Happy End hängt eher achselzuckend an den gelingenden Fuselraub dran, dass Robbie für Job und Leben nach dem Film seine neuen Freunde verlassen muss. Das ist alles etwas inkonsistent, wie auf Lücke gedreht. Als wollte Ken Loach seinen Titel durch die Machart rechtfertigen: Der "Schluck für die Engel", das Angles' Share, ist der Teil des Alkohols, der während der Reifung im Fass einfach verdunstet, verschwindet, und so den Geschmack konzentriert. Im Film machen die Fehlstellen die weithin leichte Komödie nicht besser, aber kantiger. Scharf stehen jetzt sozialkritische Noten gegen das Lagerfeuer-Aroma von Jugendgruppen auf großer Fahrt, und das kitschige Märchen vom rüpeligen Aschenputtel verschweigt nicht, dass zwar jeder eine Chance verdient hat, der Weg dahin aber manchmal nicht ganz legal ist. Robbie seiīs gegönnt, zumal er seinem Ersatzvater, der ihn erst ans Trinken brachte, edelmütig einen Schluck hinterlässt. Das qualifiziert den Film nicht unbedingt für den Einsatz in der Jugendarbeit. Aber allein der Gedanke daran, wie etwa "Die Wilden Kerle stehlen eine Brauerei" in Deutschland aussähe, versöhnt mit Ken Loachs mildem Single Malt. Wing Angelīs Share. F/GB 2012, R:; Ken Loach B: Paul Laverty K: Robbie Ryan D: Roger Allam, John Henshaw, Daniel Portman
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