ALMOST HEAVEN

Heike auf Jamaika
Frau Makatsch verläuft sich

Seit ihrem Auftritt als Heilsarmistin Männerpension hat Heike Makatsch bewiesen, dass sie zu mehr taugt als zum gefälligen TV-Sternchen. Sie hat ein Kinogesicht, das gleichzeitig Fragilität und Stärke, Melancholie und Lebensfreude, Distanz und Offenheit ausstrahlt.
Zweifellos kennt Regisseur Ed Herzog die Qualitäten seiner Hauptdarstellerin und hat ihr ein Drehbuch auf den Leib geschrieben, das mit Kontrasten zu arbeiten versteht. Mit Western-Stiefeln und einem riesigen Cowboy-Hut pirscht Makatsch in Almost Heaven durch Jamaika. Ihr Körper ist viel zu zierlich für das Country-Outfit, und das blasse Gesicht will nicht hineinpassen in die pralle Karibikfarbenwelt. Eigentlich wollte Helen nach Nashville, um im berühmten Bluebird Café aufzutreten. Das war schon immer ihr Traum und viel Zeit zum Träumen bleibt Helen nicht mehr - sagen die Ärzte und ihr Mann Carlo. Eine Verwechslung am Flughafen führt dazu, dass das Cowgirl aus NRW nicht in Nashville, sondern auf Jamaika landet. Reggae-Rhythmen statt Country-Balladen begrüßen sie, und Helen will so schnell wie möglich wieder weg aus der Karibik.
Aber so schnell geht das auf Jamaika nicht. "Zum ersten Mal auf Jamaika?" fragt die Trickbetrügerin Rosie die unfreiwillige Touristin, und wer darauf mit Ja antwortet, hat schon verloren. Statt der Busfahrkarte nach Montego Bay hält Helen einen wertlosen Kassenzettel in der Hand und landet irgendwo in den Slums von Kingston. Rosie kreuzt immer wieder Helens Weg, und obwohl sich die beiden Frauen anfangs nicht ausstehen können, entwickelt sich eine Freundschaftsbeziehung.
Allzu offensichtlich setzt Almost Heaven die Widersprüche zwischen den beiden Frauen in Szene. Die blasse Helen versteckt sich in ihrem Country-Outfit, hat nur Nashville als Ziel vor Augen und kann - den nahen Tod vor Augen - mit der karibischen Gelassenheit wenig anfangen. Rosie hingegen lebt agil in den Tag hinein, kämpft stets ums finanzielle Überleben und weigert sich, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Natürlich lernen die beiden Frauen nur das beste voneinander: Helen findet einen entspannteren Umgang mit ihrem Restleben und Rosie nimmt ihr eigenes Schicksal in die Hand.
In Almost Heaven sieht man überall die Fingerabdrücke von Plotkonstrukteuren und Skriptdoktoren, die eine originelle Filmidee auf deutsches TV-Format heruntergekocht haben. Ohne Ecken und Kanten und ohne narrative Offenheit entwirft Ed Herzog ein mutloses Frauenfreundschafts-Roadmovie und verschwendet fahrlässig sowohl die Talente seiner beiden Hauptdarstellerinnen als auch das Potenzial der Culture-Clash-Geschichte.

Martin Schwickert
D 2005 R: Ed Herzog B: Ed Herzog, Paul Herzberg K: Sebastian Edschmid D: Heike Makatsch, Nikki Amuka-Bird