All is lost Der alte Alleinsegler Robert Redford steht das Wasser bis zum Hals Ein Mann. Ein Boot. Das Meer. Das sind die Ressourcen, auf die J.C.Chandors All is lost zurückgreift. Nur ein paar Sätze werden am Anfang gesprochen, und nachdem das Funkgerät seinen Dienst versagt, verfällt der Film in kompromissloses Schweigen. Kein Off-Kommentar, der den Seelenzustand spiegelt. Kein imaginärer Gesprächspartner, an den das Wort gerichtet wird. Der Überlebende in Schiffbruch mit Tiger hatte immerhin ein Raubtier, und Tom Hanks in Cast Away einen zerknautschten Volleyball als Gegenüber. Der namenlose Held in All is lost hat nur sich selbst. Ein solcher Film scheint, genau wie das angeschlagene Boot, auf dem er sich bewegt, dem Untergang geweiht. Aber in seinem Alleinseglerdrama beweist J.C.Chandor (Margin Call), dass eine gute Idee, die mit präziser Konsequenz ausgeführt wird, für eine fesselnde Kinoerfahrung ausreicht. Natürlich hat Chandor mit Robert Redford den idealen Hauptdarsteller gefunden, der mit all seiner schauspielerischen Lebenserfahrung so eine One-Man-Show tragen kann. Redford ist 77, und das sieht man seinem stilvoll verwitterten Gesicht auch an. Ohne zu zögern nimmt man ihm den versierten Segler ab, der allein über den indischen Ozean kreuzt. Die Yacht kollidiert mit einem Container, der, von einem Frachter gefallen, mitten im Meer treibt und ein Leck in den Bug schlägt. In die Kajüte dringt Wasser, die komplette Schiffselektrik samt Navigationssystem und Funkgerät bricht zusammen. Man ahnt, dass dies der Anfang vom Ende sein wird. Aber wenn man zusieht, wie der Alleinsegler das Schiff in Schräglage bringt, sich mit einem Flaschenzug abseilt, um das Loch mit Kleber und Kunststoffgewebe zu schließen, ist man sich dessen nicht mehr so sicher. In jeder Bewegung liegt hier die handwerkliche und seemännische Erfahrung eines Mannes, der weiß, was zu tun ist. Und so beginnt ein spannender Kampf auf hoher See gegen die Widrigkeiten der Natur. Ein Sturm und bald noch ein zweiter ziehen auf, die Vorräte gehen zur Neige, das Trinkwasser ist versalzen, der Wasserpegel steigt und kein Land in Sicht. Mit Sextant und Navigationshandbuch versucht der Segler die Richtung zu finden hin zu einer Seefahrtsstraße, wo er auf Rettung hofft. All is lost bezieht seine Spannung aus der Präzision und Schlüssigkeit, mit der die Überlebensstrategien des in Seenot Geratenen inszeniert werden, sowie dem metaphorischen Subtext und den Emotionen, die dieser unnachgiebige Blick auf einen Mann freisetzt, der sich gegen die Verzweiflung stemmt. Dass es sich dabei um einen alten Menschen handelt, der den eigenen Fähigkeiten vertraut, mit seinen Kräften haushalten muss und den letzten Zipfel Leben entschieden festhält, gibt dem Film trotz seiner dramatischen Prämisse eine Souveränität, Entspanntheit und Würde, die nur ein Mann wie Robert Redford verkörpern kann. Martin Schwickert USA 2013 R&B: J. C. Chandor K: Frank G. DeMarco, Peter Zuccarini D: Robert Redford. 107 Min.
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