Alles inklusive Töchterchens Rache Eine leichtfüßige Komödie übers Altern, Jugendsünden und den Traum vom Leben Aus reiner Gehässigkeit hat Apple (Nadja Uhl) ihrer Mutter Ingrid (Hannelore Elsner) den Pauschalurlaub in Torremolinos geschenkt. Die gealterte Hippie-Braut ist auch heute noch ein Freigeist, und gerade deshalb hat die Tochter sie in eine Bettenburg an der zubetonierten spanischen Mittelmeerküste gesteckt, wo sie von einer Hüftoperation körperlich genesen und seelisch ein wenig gequält werden soll. In den Siebzigern, als Apple noch ein Kind war und Ingrid eine barbusige Strandkönigin, waren die beiden schon einmal in Torremolinos. Denn wo sich heute ein Hotelkasten an den anderen reiht, stand damals noch ein kleines Fischerdorf, das sich als Aussteigerabsteige bei den Hippies großer Beliebtheit erfreute. Die Mutter verkaufte selbstgefertigte Armreife aus Silbergabeln und lebte ihren Traum von Konsumverzicht und sexueller Freiheit, auch wenn das Kind nicht immer genug zu essen bekam und morgens im Zelt neben der vollkommen zugedröhnten Erziehungsberechtigten wachte. Heute geht Tochter Apple auf die vierzig zu und hat es nicht leicht mit sich, ihrem beknackten Namen, den Kindheitserinnerungen, den Männern und dem Leben. Nur ihr Hund "Freud" scheint sie zu verstehen und der kann vor lauter erlittener Fürsorge kaum noch laufen. Eine neurotische Mutter-Tochter-Beziehung stellt Doris Dörrie ins Zentrum ihres neuen Filmes und gruppiert darum eine Handvoll Charaktere, die alle auf ihre eigene Weise an Vereinsamung leiden. Ingrids freigeistiges Leben hat nicht nur das Verhältnis zur Tochter getrübt, sondern damals auch eine Familientragödie in Gang gesetzt, mit deren Folgen sich die Beteiligten nach mehr als drei Jahrzehnten unter der spanischen Sonne auseinandersetzen müssen. Was sich wie ein spaßresistentes Psychodrama liest, wird unter Dörries entspannter Regie zu einer überraschend leichtfüßigen Reflektion über innerfamiliäre Schuldzuweisungen, Generationskonflikte und grundverschiedene Lebenshaltungen. Nur auf den ersten Blick scheinen die Kontraste zwischen Mutter und Tochter, freiem Hippieleben und verklemmter Moderne etwas plakativ formuliert. Gerade darin liegt jedoch der Grundstein für einen sanft humorvollen, aber ebenso präzisen Blick auf die aufbrechenden Beziehungsstrukturen. Hannelore Elsner bringt ihre ehemalige Hippie-Queen zum Schweben, wie nur sie eine Figur schweben lassen kann. Nadja Uhl surft haarscharf an der Grenze zur Karikatur entlang, ohne die neurotische Tochter der Lächerlichkeit preis zu geben. Dörrie setzt ihre Figuren nicht unter therapeutischen Erkenntnisdruck, sie lässt sie in einem angenehm unaufgeregten Modus auseinanderdriften und wieder zusammenkommen, ohne sie gleich mit einem wasserdichten Happy End verarzten zu wollen. Martin Schwickert D 2014 R&B: Doris Dörrie K: Hanno Lentz D: Hannelore Elsner, Nadja Uhl, Hinnerck Schönemann 109 Min.
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