ALICE IM WUNDERLAND Madness revisited Tim Burton darf für Disney einen Klassiker der Fantasy-Literatur interpretieren Hinunter, hinunter, hinunter" - mit dem freien Fall in die scheinbar endlose Tiefe eines Kaninchenbaus beginnt in Alice im Wunderland die Reise eines Mädchens in eine surreale Traumwelt, die seit nunmehr 135 Jahren nicht nur die Kinderbuchliteratur inspirierte. Von James Joyce bis Stephen King, von Wim Wenders bis Terry Gilliam haben sich Schriftsteller und Filmemacher immer wieder auf Lewis Carrolls Kreuzfahrt durch das kindliche Unterbewusstsein bezogen. Nun schickt Tim Burton in seiner Version das Mädchen als Heranwachsende noch einmal in den Kaninchenbau. Als der schnöselige Grafensohn vor ihr niederkniet und Alice (Mia Wasikowska) vor versammelter Sommerfestgesellschaft einen Heiratsantrag macht, türmt die 19jährige, folgt dem weißen Kaninchen mit der schwarzen Weste und landet erneut in der Unterwelt, die sie vor dreizehn Jahren schon einmal besucht hat. Auch wenn sie sich kaum noch an den Kindertraum erinnern kann, dort unten wird Alice sehnsüchtig erwartet, denn schließlich soll das Mädchen - so will es die Vorsehung - als eine Art Messias die Unterwelt von der Herrschaft der Herzkönigin (Helena Bonham Carter) befreien. "Trink mich!" steht auf der Flasche, und das Getränk darin lässt das Mädchen auf Mausgröße einschrumpfen. Als Gegengift wird ein Kuchen gereicht, der Alice zum Riesen werden lässt. Immer ein wenig zu groß oder zu klein ist sie in dieser Welt, in der die Herzkönigin mit harter Hand regiert und eine Vorliebe für Enthauptungen entwickelt hat. Aber es gibt auch die, die sich ihrer Herrschaft zu entziehen versuchen. Die mutige Schlafmaus, die Grinsekatze, die aus dem Nichts heraus auftaucht und wieder verschwindet, und natürlich den Hutmacher, der vom vielen Klebstoffschnüffeln ein wenig wirr im Kopf geworden ist. Tim Burton, der hier mit einem großzügigen 250 Millionen Dollar Budget aus dem Hause Disney ausgestattet wurde, lässt seiner gestalterischen Fantasie freien Lauf. Dabei ist sein Wunderland keine bonbonfarbene Idylle, sondern ein ebenso bunter, wie melancholischer Ort. Perfekt hat Burton auf der visuellen Ebene den Grundton der Geschichte herausgearbeitet, die unterschwellig auch immer etwas Verängstigung atmet, wenn Alice die Kontrolle über ihren Traum zu verlieren droht. Die Weiße Königin etwa - eigentlich eine positive Heldin - wird von Anne Hathaway als leicht schwebendes, unangenehm transparentes Wesen dargestellt. Die Ambivalenz der Figuren geht einher mit einer hohen technischen Differenziertheit, die Animation, Realfilm und 3D-Zauberei bruchlos ineinander fließen lässt. Martin Schwickert Alice in Wonderland USA 2010 R: Tim Burton B: Lind Woolverton nach der Erzählung von Lewis Carroll D: Mia Wasikowska, Johnny Depp, Helena Bonham Carter
|