ALIEN - DIE WIEDERGEBURT

Mutterherz im Schleim

Und wieder ist Freitag, der ... oh nee, falsche Serie

Nun gut, Ripley ist zurück. Am Ende des dritten Teils gestorben - mit einem kleinen Alien unter dem Herzen - waren ihre unsterblichen Überreste für die skrupellosesten, geld- und machtgierigsten Wissenschaftler der zukünftigen bekannten Welt eine zu große Versuchung, als daß sie sie einfach ungenutzt auf Weltraumfriedhöfen hätten brachliegen lassen können. Ripley wurde geklont und mit ihr das kleine Alien unter ihrem Herzen, das dann per Kaiserschnitt die kühle Laborbeleuchtung einer großen Raumstation erblickte. Eine Königin, und das Interesse an Ripley erlosch so schnell wie vorerst, denn durch das Kloning schien auch die Wirtin etwas vom überrragend-überlegenen Gen-Material des Aliens abbekommen zu haben. Man ließ den Ripley-Klon leben, lehrte ihn, was er nicht wußte und entdeckte auch, daß Ripleys Erinnerung genetisch war: Der Klon hatte eine Identität, der Klon war Ripley, ergänzt um eine gewisse alienhafte Schnelligkeit, um Kraft und Instinkte und eine Mütterlichkeit, die Ripleys Verantwortungsbewußtsein der ersten drei Folgen noch übertrifft.
Inzwischen hat die Alien-Königin sich prächtig vermehrt, die Brut sitzt in Kleingruppen in Hochsicherheitsgehegen hinter Panzerglas und wird mit flüssigem Stickstoff oder etwas ähnlich Kaltem in Schach gehalten. Noch ist alles unter Kontrolle, auch Ripley, die inzwischen sowohl die menschliche Sprache als auch menschlich Umgangsformen beherrschen kann - wenn sie will. Sie neigt aber zu Gewaltausbrüchen, weshalb sie, wenn sie nicht gerade in ihrem Verließ schmachtet, gewöhnlich in High-Tech-Ketten liegt und ansonsten selbst harmlose Plaudereien in der Cafeteria für düstere Andeutungen nutzt: "Ihr werdet alle sterben". Dabei ist sie guter Dinge, humorvoll und gelassen, was verständlich ist, hat sie doch wirklich schon alles mitgemacht.
Die Geschichte setzt mit der Ankunft eines heruntergekomenen Frachtraumschiffes auf der Raumstation ein, an Bord skrupellose Weltraum-Desperados mit ihrer Fracht: Menschenmaterial zu Versuchszwecken für die Alien-Experimenteure. Business as usual, wäre da nicht der besonders skrupellose Wissenschaftler, dem es gefällt, die Aliens hinter ihrer Megapanzerglasscheibe mit perversen Zungenkuß-Spielchen zu provozieren (eine der eindrucksvollsten und gelungensten Szenen des Films) und die erregten Tierchen mit einem brutalen Kälteschock wieder, nunja, abzukühlen. Das lassen sich auch Aliens nur ungerne gefallen, und so gucken sie einen aus ihrer Mitte aus, der bluten muß - und wir kennen die panzerbrechende Wirkung von Alien-Blut. Ein Loch ist im Käfig, die Aliens sind los, und das seit dem ersten Teil variierte Spielchen beginnt erneut.
Wir hörten, daß Sigourney Weaver an einem vierten Alien -Teil nur interessiert wäre, wenn die Geschichte mit neuen Elementen aufwarten könnte. Dieses neue Element ist hier ganz klar die leicht modifizierte Ripley-Figur, die den Aliens zwar prinzipiell ablehnend, im Einzelfall aber durchaus ambivalent gegenübersteht. Schließlich sind alle anwesenden Aliens ihre Kinder bzw. Nachkommen. Das führt zu den schwächsten und zuweilen unfreiwillig komischen Szenen des Films, etwa, wenn Ripley sich auf der Flucht, rings um sie nur Chaos und Getöse, auf den Boden wirft und stammelt, daß "sie" da irgendwo sei, und daß "sie" bestimmt Angst habe. Nicht allerdings vor den Menschen, wie wir dann sehen: Die Königin, Ripleys "Kind", kommt nämlich selbst nieder und schenkt (in Rückenlage) einem prächtigen Monster das Leben, das sofort auf Ripley geprägt wird (siehe Konrad Lorenz), schmusen und gekost werden will, was Ripley natürlich rührt, aber doch ganz schön lästig ist. Gegen den Enkel sind die normalen Aliens nämlich eher moderat in ihrem Tötungsdrang, was dann auch die Menschen an Bord weiter dezimiert.
Alien - Die Wiedergeburt beginnt sehr hoffnungsvoll: in fahlen Farben und latent fischäugig verzerrten Bildern sehen wir die Wissenschaftler werkeln, Ripley entstehen, über allem liegt ein Hauch von Degeneriertheit und Obszönität, es scheint, als habe Regisseur Jean-Piere Jeunet alles im Griff und die Kontrolle. Aber Jeunet ist, wie man andeutungsweise in Delicatessen und schon deutlich störend in Stadt der verlorenen Kinder gesehen hat, ein Bilderregisseur, dem die Geschichten weniger wichtig sind: sobald die Aliens sich befreit haben, rutscht der Film in die Flucht&Verfolgungs-Dramaturgie, die wir seit 1979 in unzähligen Abwandlungen gesehen und die uns nur sehr selten zufriedengestellt hat.
Nun hat uns der erste Alien zwar das Fürchten gelehrt, das war aber nur ein Aspekt des Vergnügens. Und auch die Fortsetzungen hatten jenseits der Gruselei deutliche Qualitäten, Camerons Monumentalität im zweiten und Finchers Kunst- und Gestaltungswille in Verbindung mit der shakespearesken Sprachgewalt im dritten Teil, doch, hat uns gefallen. Leider erschöpft sich der Reiz von Alien - Die Wiedergeburt in Jeunets europäisch-schräger Ästhetik, und die ist schnell verbraucht.
Was bleibt, sind mit Sigourney Weaver, Winona Ryder, Ron Perlman, Michael Wincott und Dominique Pinon recht ansehnliche Schauspielerinnen und Schauspieler, eine erwartungsgemäß opulente Ausstattung und einige saftig-schleimige Schweinereien. Zuwenig für eine Legende.

Jens Steinbrenner